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Wut-Rede von Tsvangirai beendet die Grabesstille in Simbabwe

Endlich platzte dem sonst so gediegenen Premierminister der Kragen. Auf einer Pressekonferenz in Harare holte er vor wenigen Tagen zum Rundumschlag gegen seinen Erzrivalen und Regierungspartner Robert Mugabe aus. Jetzt sei Schluss, wetterte Tsvangirai aufgebracht, und kündigte sogleich einen ganzen Maßnahmenkatalog an, mit dem er und seine Partei auf die nicht enden wollende Willkür des despotischen Präsidenten reagieren wollen: Keine Anerkennung sämtlicher von Präsident Mugabe ernannten Amts- und Würdenträger in Politik, Diplomatie und Justiz sowie die umgehende Einschaltung des SADC-Schlichters, Südafrikas Präsident Jacob Zuma, zur Intervention - mögliche vorgezogene Wahlen nicht ausgeschlossen.

Was war passiert? Von der Außenwelt kaum noch wirklich beachtet, hatte Robert Mugabe in den 20 Monaten der Einheitsregierung kontinuierlich und unerbittlich an seiner Macht und seinen Wünschen festgehalten. Nach wie vor sind grundlegende Prinzipien des Koalitionsvertrages (Global Political Agreement) zwischen der MDC und Mugabes ZANU-PF nicht umgesetzt. Selbst ein hochrangiges, von Präsident Jacob Zuma eigens zusammengestelltes südafrikanisches Schlichtungsteam um Mac Maharaj konnte die Uneinigkeit zwischen den verfeindeten Parteien nicht brechen. Man einigte sich in Harare zwar schließlich auf eine Lösung für 24 der 27 ungelösten Streitfragen, allerdings handelte es sich hierbei um eher minimale Punkte. Die Fronten im Gefecht über die tatsächlich wichtigen Fragen blieben verhärtet: die Vereidigung von Roy Bennett als Vize-Landwirtschaftsminister, die ungesetzliche Ernennung von Reservebankchef Gideon Gono und Generalstaatsanwalt Johannes Tomana durch Mugabe sowie die Besetzung der zehn Posten der Provinzgouverneure.

Wer Simbabwe zuletzt von außen betrachtet hatte, musste meinen, eine gewisse Stabilität sei eingekehrt. Die Umstellung von Simbabwe- auf US-Dollar hat die wirtschaftliche Talfahrt gebremst, Supermärkte und Tankstellen bieten meistens die gewünschten Güter, es gibt erste Lichtblicke im Gesundheits-und Bildungssystem.
Erst bei genauerem Hinschauen wird klar, dass diese Erfolge nur eine Fassade ist für nach wie vor schreiendes Unrecht gegenüber der Bevölkerung und diktatorisches Vorgehen von Mugabe und seiner ZANU-PF.

Die Übergriffe auf weiße Farmer halten nach wie vor an, auch wenn die Medien mittlerweile lieber über eine rekordverdächtige Tabakernte als über noch mehr aus Rassengründen vertriebene Großgrundbesitzer berichten. Erst kürzlich wurde die Farm einer durch bilaterale Abkommen geschützten Französin gnadenlos niedergebrannt, was die Frau zu einer wütenden öffentlichen Kampagne nicht gegen die eigentlichen Täter aus dem Umfeld der ZANU-PF, sondern gegen den Premierminister, sein Büro und seine Partei veranlasste. "Sie haben mich völlig im Stich gelassen", schrieb Meredith in einem öffentlichen Brief, der nicht nur an die eigentlichen Empfänger, sondern auch an sämtliche Medien und alle Botschaften verschickt wurde.

Meredith ist nicht die Einzige, die so fühlt. Viele Simbabwe können sich des Gedankens nicht erwehren, dass Morgan Tsvangirai eine Marionette Mugabes geworden ist, den Kampf, in den sie einst mit ihm gezogen sind, aufgegeben hat und stattdessen lieber die Vorteile seines Postens genießt. Das Fass nahezu zum Überlaufen brachten Berichte, dass sich der Premier regelmäßig mit Mugabe zum Tee treffe, in der Kultur der Shona, der größten simbabwischen Volksgruppe, nicht nur ein Treffen, sondern ein Zeichen von Freundschaft oder gar Unterwürfigkeit. Von Tsvangirai kam keine Reaktion auf die andauernden Farminvasionen, keine Reaktion auf irgendeine der ungesetzlichen Übergriffe auf Aktivisten und Beschneidung der Rechte der Medien, keine Reaktion auf diktatorisch gesteuerte Strafverfolgung, keine Reaktion auf Mugabes Alleingänge.

Und davon gibt es genug. Erst kürzlich ließ die immer noch von Mugabe infiltrierte Justiz einen neuerlichen Haftbefehl für Roy Bennett ausstellen. Der beliebte weiße MDC-Politiker war im Mai vom völlig haltlosen Vorwurf der Planung eines Putsches gegen Mugabe und unerlaubten Waffenbesitzes freigesprochen worden. Mugabe, der sich seit Bildung der Einheitsregierung weigert, Bennett als Vizelandwirtschaftsminister zu vereidigen, hatte immer erklärt, dies doch zu tun, sollte der ehemalige Farmer vor Gericht freigesprochen worden. Seine Worte erwiesen sich als Schall und Rauch, als der Freispruch kam. Stattdessen wurden schleunigst neue Anklagepunkte gegen Bennett erfunden. Jetzt wirft man ihm Missachtung des Gerichtes vor, weil er sich gegenüber ausländischen Medien negativ zu seinem Prozess geäußert haben soll. Mehrfach wurde sein Haus ohne legale Grundlage durchsucht, dann kam der Haftbefehl. Bennett, der derzeit im Ausland weilt, wird bei dem Versuch, wieder nach Simbabwe einzureisen, definitiv verhaftet. Tsvangirai, eigentlich ein Freund Bennetts, blieb still.

Tsvangirai blieb auch still, als Mugabes Henkershenker es tatsächlich schafften, den gesamten Prozess der Erstellung einer neuen Verfassung systematisch zu unterwandern, zu zerstören und für sich zu missbrauchen. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass Simbabwe eine neue Verfassung erstellen muss, und Tsvangirais MDC hatte sich immer für eine vom Volk "mitgeschriebene" Verfassung ausgesprochen. Unter großem finanziellen Aufwand wurden Veranstaltungen im ganzen Land abgehalten, um die Meinung der Bevölkerung zu verfassungsrelevanten Themen einzuholen. Womit die MDC nicht gerechnet hatte, war die gute, strategische Planung und kaltblütige Ausführung einer gefährlichen Strategie von Seiten des Mugabe-Lagers: Wohin auch immer die Verfassungs-Teams reisten, ZANU-PF-Agitatoren waren bereits zuvor dort und hatten entsprechende Helfershelfer in der Bevölkerung "geimpft", ihnen also genau eingetrichtert, welche Fragen wie zu beantworten seien. Um sicherzustellen, dass keine anderen Meinungen zu hören waren, traten einmal mehr militanten ZANU-PF-Schlägertrupps auf den Plan, die die Verfassungstreffen gewaltsam störten oder völlig zum Erliegen brachen. Mindestens ein junger Mann ist bei solchen gewaltsamen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen. In Simbabwe wurden zahlreiche Weiße mit von mit Stöcken bewaffneten Jugendlichen davon abgehalten, die Treffen zu besuchen.

Als wäre dies nicht schon schlimm genug, äußerte sich die MDC zunächst überhaupt nicht zu den Geschehnissen; und als die Parteispitze dann merkte, dass sämtliche Verfassungswünsche der Bevölkerung nur ZANU-PF-Maßgaben wiederspiegelten, verkündete sie schnell öffentlich, dass man nun doch keine vom Volk mitgeschriebene Verfassung mehr wolle. Der Imageschaden und die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Partei waren wohl kaum jemals größer als nach dieser Stellungnahme.

Dieser öffentlichkeitswirksame Fehlschlag mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass der Premierminister jetzt doch gehandelt und gesprochen hat. Selbst in der eigenen Regierung und noch viel mehr in der Parteibasis wuchs der Unmut über die Tatenlosigkeit des einst so forschen Oppositionsführers. Zwar stand eine Palastrevolution noch nicht unmittelbar bevor, aber erste Anzeichen waren deutlich zu spüren. Wütende Briefe von MDC-Mitgliedern und -Offiziellen, die lieber Aktivisten als bequeme Politiker bleiben wollen, belegen dies.

Der tatsächliche Auslöser war aber die Tatsache, dass Robert Mugabe vor kurzem erklärt hatte, er habe bereits die umstrittenen zehn Posten der Provinzgouverneure neu besetzt. Deren Amtszeit war Ende Juli ausgelaufen, und eigentlich hätten jeweils fünf der Positionen von ZANU-PF und MDC besetzt werden sollen. Die Provinzgouverneure sind gleichzeitig Mitglieder des Senates (des parlamentarischen Oberhauses) und besetzten wichtige Positionen in parlamentarischen Komitees, was sie zu einflussreichen Figuren auf dem politischen Spielfeld macht.

"Wir weigern uns mit sofortiger Wirkung, irgendwelche Ernennungen, die der Präsident in den vergangenen Monaten illegal und nicht verfassungsgemäß vorgenommen hat, anzuerkennen", erklärte Tsvangirai. Neben Gono, Tomana und den Provinzgouverneuren schließt dies fünf Richter, sechs Botschafter und die gesamte Polizeikommission ein, deren verfassungskonträre Ernennung der Premier noch einmal mit genauer Datumsangabe rekapitulierte.

Die Ernennung der Gouverneure nannte ein ungewohnt wütender Tsvangirai "abscheulich". "Mugabe hat diese Gouverneure am Sonntag ernannt, als die meisten von uns in der Kirche saßen. Ich als Premier, der ich diesen Ernennungen zustimmen müsste, wusste nichts davon. Mugabe hat der SADC öffentlich versprochen, und das erst kürzlich in Windhoek, dass er niemals die simbabwische Verfassung missachtet hat oder missachten wird. Tragischerweise hat er das nicht nur einmal getan, sondern immer wieder", so Tsvangirai. "Der Fall Roy Bennett hat sich mittlerweile zu einem persönlichen Rachefeldzug entwickelt und ist nichts weiter als Teil einer rassistischen Agenda", klagte der Premier den Präsidenten an.

"Ich habe Präsident Mugabe oft politisch verteidigt - und das auf meine Kosten. Aber weder ich selbst noch die MDC können länger zurückstecken und dem Präsidenten sowie der ZANU-PF erlauben, noch länger das Recht in die eigene Hand zu nehmen, die Verfassung zur Schau zu stellen und sich zu benehmen, als besäßen sie diese Land", wetterte der Premierminister, der aber auch nochmals rechtfertigte, warum er sich auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen und den Koalitionsvertrag mit Mugabe unterschrieben habe - einzig und allein, weil das Volk ihm, Tsvangirai, in den Wahlen das Mandat zur Regierung gegeben habe, habe er zum Wohle des Volkes und zur Verhinderung von mehr Gewalt Mugabe einbezogen. "Mugabe war einer derjenigen, die vor 30 Jahren Unabhängigkeit in dieses Land gebracht haben. Dafür sind wir diesen Menschen dankbar. Es erlaubt ihnen aber nicht, jetzt krampfhaft an der Macht festzuhalten. Politische Macht kann einem nur durch das Volk verliehen werden", so Tsvangirai, "und dieses Volk hat dann das Recht, Politiker aufgrund ihrer Amtsführung zu beurteilen".

Tsvangirai forderte zudem die SADC zum sofortigen Einschreiten auf. Sie solle helfen, Mugabe zur Räson zu bringen, solle Beobachter entsenden, um den Verfassungsprozess zu überwachen, und sie solle Recht und Ordnung wiederherstellen. Noch am gleichen Abend liefen die Telefone zwischen Harare und Pretoria heiß. Bis heute gibt es allerdings keine öffentliche Stellungnahme aus dem Umfeld oder direkt von Präsident Jacob Zuma.

Die Medien haben sich gierig auf Tsvangirais Wut-Rede gestürzt. Und doch bleiben Zweifel: im Volk, bei Beobachtern, selbst bei Politikern und Offiziellen in der Regierung. Warum ist Tsvangirai nicht noch einen Schritt weiter gegangen, hat sich aus der Regierung zurückgezogen oder sofortige Wahlen gefordert? Warum wieder das Hoffen auf SADC, nachdem der Staatenbund Simbabwe so oft hat fallen lassen?

Nicht wenige Simbabwer glauben, dass die Rede Tsvangiaris zwar nötig war, jedoch ohne Folgen bleiben wird. Zu oft haben er und seine Partei in der Vergangenheit nur auf das reagiert, was es von Mugabe gab. Was fehlte, war eigenes Agieren, was zu fehlen scheint, ist eine funktionierende Strategie, wie man der seit 30 Jahren erfahrenen Kampfmaschine ZANU-PF mit ihrem Feldherrn Mugabe an der Spitze entgegentreten kann. Und die sollte die MDC besser schnell erarbeiten oder finden, vor allem im Ausblick auf mögliche Wahlen im kommenden Jahr. Mugabe scheint in dieser Hinsicht bereits gerüstet, seine Schlägertrupps sind schon ausgezogen und machen Jagd auf potenzielle MDC-Wähler.

Vielleicht kam Tsvangirais Aufschrei gerade noch zur rechten Zeit, um das Auge der SADC auch auf diese Geschehnisse zu richten. Vielleicht wird die SADC aber genau dieses Auge einmal mehr verschließen und das noch vor 20 Monaten so hoffnungstrunkene und jetzt so resignations-ausgenüchterte simbabwische Volk einmal mehr gnadenlos im Stich lassen.

Doch die SADC spielt nur die zweite Geige im Konzert des simbabwischen Politik-Orchesters. Zunächst muss Morgan Tsvangirai mit standhaften Taten beweisen, dass er zu mehr fähig ist als zu einem einzigen, schnell verhallenden Paukenschlag.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-22

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