Zeit für die Familie
Von Benjamin Schaller, Windhoek
Wenn das deutsche Ehepaar Verena und Hans-Peter Adler nach Namibia reist, kommen sie nicht als Touristen. „Wir machen keine Touren und kaufen keine Souvenirs, stattdessen wollen wir Zeit mit unserer namibischen Familie verbringen“, so die beiden Rentner aus dem hessischen Gernsheim. Leibliche Verwandtschaft der Adlers findet sich in Namibia allerdings nicht. Eine Erklärung für die regelmäßigen Namibia-Besuche findet sich dagegen bei einem Rückblick auf das Jahr 1996.
Damals, vor 18 Jahren, waren beide noch beruflich tätig. Hans-Peter Adler arbeitete als Industriemeister, seine Frau als Krankenschwester. Ihre leibliche Tochter hatte die Schullaufbahn bereits abgeschlossen und war aus dem Elternhaus ausgezogen. Ihr Kinderzimmer sollte allerdings nicht lange leer bleiben, da Hans-Peter und Verena Adler den Entschluss fassten, eine Austauschschülerin aufzunehmen. In einer Zeitschrift fanden sie eine Anzeige, dass Gasteltern für Jugendliche aus Kolumbien, Chile und Namibia gesucht werden. „Mein Großvater war zur Zeit der kaiserlichen Marine als Koch im damaligen Südwest“, berichtet Hans-Peter Adler. „Er war letztendlich nur ein paar Monate da, hat aber für den Rest seines Lebens von den hübschen Frauen geschwärmt.“
Nach Klärung aller Formalitäten konnte Familie Adler im November 1996 die damals 15-jährige Geraldine aus Windhoek in Deutschland willkommen heißen. Dabei stand ihre Ankunft zunächst unter keinem guten Stern, denn kurz vor ihrer Abreise starb ihr Vater. „Er war ein einfacher Arbeiter, der für seine Kinder gut vorgesorgt hat, mit Versicherung und allem. Auch für den Schüleraustausch sparte er Geld zusammen. In seinen letzten Monaten ging es ihm schon zunehmend schlechter, aber Geraldine erzählte, dass er darauf bestand, dass sie die Reise nach Deutschland wirklich antritt“, so Hans-Peter Adler. „Ich bedaure, dass ich ihn nie persönlich kennen lernen konnte.“
In der hessischen Kleinstadt Gernsheim lebte sich Geraldine letztlich schnell ein. Auch sprachliche Schwierigkeiten konnten schnell überwunden werden – nicht zuletzt aufgrund einer Regel, die nach Ankunft der jungen Namibierin im Hause Adler eingeführt wurde: „Immer, wenn Geraldine Afrikaans oder Englisch gesprochen hat, haben wir uns taub gestellt. Und sie musste 50 Pfennig in ein Sparschwein werfen. Davon konnten wir schließlich eine reichlich belegte Pizza für die ganze Familie kaufen“, erinnert sich Verena Adler. „Man muss allerdings dazu sagen, dass sie das Taschengeld für ihre Strafen von uns bekam“, gesteht Hans-Peter Adler lachend ein.
Auch Weihnachten verbrachte Geraldine bei Familie Adler, und es sollte ein denkwürdiges Fest werden. „Normalerweise ist es im Rhein-Main-Gebiet immer schwierig mit Schnee. Aber in genau jenem Winter 96/97 hatten wir weiße Weihnacht“, denkt Hans-Peter Adler zurück. Auch seine Frau schwelgt in freudigen Erinnerungen: „Als Geraldine aufwachte und den Schnee sah, wollten wir sie noch aufhalten und sagten, ‚Kind, zieh dir etwas Warmes an‘, aber sie stürzte sich direkt im Schlafanzug in den Schnee.“ Mit einem Grinsen ergänzt Hans-Peter Adler: „Dann erkannte sie, dass Schnee nicht nur schön weiß, sondern auch eisig kalt ist.“
Während des dreimonatigen Schüleraustauschs wurden Hans-Peter und Verena Adler zu „Papa und Mama“ für Geraldine. Der Gegenbesuch der deutschen Gasteltern ließ nicht lange auf sich warten, im Dezember 1997 reisten die Adlers das erste Mal nach Namibia. Als Geraldine im Alter von 18 Jahren wieder einen Besuch in Deutschland plante, überlegte sie kurz vorher abzusagen. Hans-Peter Adler entsinnt sich an das geführte Telefongespräch: „Meine erste Vermutung hat direkt gestimmt: Sie war schwanger. Darauf sagte ich, das ist kein Problem, dann kommst du eben schwanger!“
Ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann Ivan begleitete sie. In Deutschland hatte das junge Paar auch die Möglichkeit, das Geschlecht des Kindes zu erfahren. „So waren wir plötzlich nicht nur Mama und Papa, sondern auch Oma und Opa eines kleinen Jungen“, freut sich Hans-Peter Adler. „Nur dass Jamie, so ist sein Name, heute 14 Jahre alt und überhaupt nicht mehr klein ist. Ein Riese!“, ergänzt Verena Adler.
Zur Hochzeit im Jahr 2004 waren die Adlers natürlich auch anwesend. Seitdem trägt Geraldine den Nachnamen „von François”, ihr Mann Ivan ist ein Ururenkel des Windhoeker Stadtgründers Curt von François. Vor vier Jahren wurde ihr zweiter Sohn Claude geboren.
In den vergangenen 18 Jahren besuchte das Ehepaar Adler Namibia nahezu im Jahrestakt. Dass Hans-Peter Adler noch einige Male öfters im Land war als seine Frau, ist auch auf die AZ zurückzuführen: „Wir lesen die AZ täglich im Internet, und 2006 fand ich einen Artikel über Grundstücksversteigerungen in Kleine Kuppe. Ich informierte Geraldine und Ivan, da ich wusste, dass sie dort gerne leben möchten. Sie waren bei der Ersteigerung auch tatsächlich erfolgreich, weshalb ich in den folgenden Jahren mehrere Male zur Bauaufsicht nach Windhoek kommen musste“, so Hans-Peter Adler. „Heute lebt die Familie dort. Und der Wert des Hauses hat sich verzehnfacht!“, so Adler mit Blick auf die Immobilienpreisentwicklung in Windhoek.
Bei den Besuchen in Namibias Hauptstadt lässt der Ruheständler auch häufig den Kochlöffel schwingen. Dann kommen hessische Gerichte auf den Tisch, versteht sich: „Panierte Leber mit Zwiebeln und Apfelsauce oder ein schöner Schweinebraten. Die Familie liebt es, dazu der Duft durchs ganze Viertel. Aber wir mögen auch das namibische Essen!“
Die Besuche Geraldines in Deutschland sind mittlerweile auf ein unzähliges Ausmaß angestiegen – was durch berufliche Gründe zu erklären ist. Sie arbeitet als Flugbegleiterin bei Air Namibia und ist auch häufig bei den Flügen zwischen Windhoek und Frankfurt an Bord. „Wir holen Sie dann vom Flughafen ab, sie übernachtet bei uns und wir können Zeit miteinander verbringen“, sagt Hans-Peter Adler.
Wie sehr die beiden Familien mittlerweile zusammengewachsen sind, zeigte sich beispielsweise, als Verena Adler vor einigen Jahren schwer krank ins Koma fiel. „Das war eine schwere Zeit für mich, und ich war froh, dass ich die Unterstützung von Geraldine und Ivan hatte“, sagt Hans-Peter Adler. „Aber wir haben alles gut überstanden. Und wenn die Gesundheit mitspielt, wollen wir 2019 unsere Goldene Hochzeit hier feiern.“ Dann dürfte auch die namibische Familie von Geraldine, zu der die Adlers ebenfalls einen guten Draht aufgebaut haben, komplett anwesend sein. „Sehr viele hübsche Frauen. Mein Großvater hatte also Recht!“, freut sich ein lachender Hans-Peter Adler.
Wenn das deutsche Ehepaar Verena und Hans-Peter Adler nach Namibia reist, kommen sie nicht als Touristen. „Wir machen keine Touren und kaufen keine Souvenirs, stattdessen wollen wir Zeit mit unserer namibischen Familie verbringen“, so die beiden Rentner aus dem hessischen Gernsheim. Leibliche Verwandtschaft der Adlers findet sich in Namibia allerdings nicht. Eine Erklärung für die regelmäßigen Namibia-Besuche findet sich dagegen bei einem Rückblick auf das Jahr 1996.
Damals, vor 18 Jahren, waren beide noch beruflich tätig. Hans-Peter Adler arbeitete als Industriemeister, seine Frau als Krankenschwester. Ihre leibliche Tochter hatte die Schullaufbahn bereits abgeschlossen und war aus dem Elternhaus ausgezogen. Ihr Kinderzimmer sollte allerdings nicht lange leer bleiben, da Hans-Peter und Verena Adler den Entschluss fassten, eine Austauschschülerin aufzunehmen. In einer Zeitschrift fanden sie eine Anzeige, dass Gasteltern für Jugendliche aus Kolumbien, Chile und Namibia gesucht werden. „Mein Großvater war zur Zeit der kaiserlichen Marine als Koch im damaligen Südwest“, berichtet Hans-Peter Adler. „Er war letztendlich nur ein paar Monate da, hat aber für den Rest seines Lebens von den hübschen Frauen geschwärmt.“
Nach Klärung aller Formalitäten konnte Familie Adler im November 1996 die damals 15-jährige Geraldine aus Windhoek in Deutschland willkommen heißen. Dabei stand ihre Ankunft zunächst unter keinem guten Stern, denn kurz vor ihrer Abreise starb ihr Vater. „Er war ein einfacher Arbeiter, der für seine Kinder gut vorgesorgt hat, mit Versicherung und allem. Auch für den Schüleraustausch sparte er Geld zusammen. In seinen letzten Monaten ging es ihm schon zunehmend schlechter, aber Geraldine erzählte, dass er darauf bestand, dass sie die Reise nach Deutschland wirklich antritt“, so Hans-Peter Adler. „Ich bedaure, dass ich ihn nie persönlich kennen lernen konnte.“
In der hessischen Kleinstadt Gernsheim lebte sich Geraldine letztlich schnell ein. Auch sprachliche Schwierigkeiten konnten schnell überwunden werden – nicht zuletzt aufgrund einer Regel, die nach Ankunft der jungen Namibierin im Hause Adler eingeführt wurde: „Immer, wenn Geraldine Afrikaans oder Englisch gesprochen hat, haben wir uns taub gestellt. Und sie musste 50 Pfennig in ein Sparschwein werfen. Davon konnten wir schließlich eine reichlich belegte Pizza für die ganze Familie kaufen“, erinnert sich Verena Adler. „Man muss allerdings dazu sagen, dass sie das Taschengeld für ihre Strafen von uns bekam“, gesteht Hans-Peter Adler lachend ein.
Auch Weihnachten verbrachte Geraldine bei Familie Adler, und es sollte ein denkwürdiges Fest werden. „Normalerweise ist es im Rhein-Main-Gebiet immer schwierig mit Schnee. Aber in genau jenem Winter 96/97 hatten wir weiße Weihnacht“, denkt Hans-Peter Adler zurück. Auch seine Frau schwelgt in freudigen Erinnerungen: „Als Geraldine aufwachte und den Schnee sah, wollten wir sie noch aufhalten und sagten, ‚Kind, zieh dir etwas Warmes an‘, aber sie stürzte sich direkt im Schlafanzug in den Schnee.“ Mit einem Grinsen ergänzt Hans-Peter Adler: „Dann erkannte sie, dass Schnee nicht nur schön weiß, sondern auch eisig kalt ist.“
Während des dreimonatigen Schüleraustauschs wurden Hans-Peter und Verena Adler zu „Papa und Mama“ für Geraldine. Der Gegenbesuch der deutschen Gasteltern ließ nicht lange auf sich warten, im Dezember 1997 reisten die Adlers das erste Mal nach Namibia. Als Geraldine im Alter von 18 Jahren wieder einen Besuch in Deutschland plante, überlegte sie kurz vorher abzusagen. Hans-Peter Adler entsinnt sich an das geführte Telefongespräch: „Meine erste Vermutung hat direkt gestimmt: Sie war schwanger. Darauf sagte ich, das ist kein Problem, dann kommst du eben schwanger!“
Ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann Ivan begleitete sie. In Deutschland hatte das junge Paar auch die Möglichkeit, das Geschlecht des Kindes zu erfahren. „So waren wir plötzlich nicht nur Mama und Papa, sondern auch Oma und Opa eines kleinen Jungen“, freut sich Hans-Peter Adler. „Nur dass Jamie, so ist sein Name, heute 14 Jahre alt und überhaupt nicht mehr klein ist. Ein Riese!“, ergänzt Verena Adler.
Zur Hochzeit im Jahr 2004 waren die Adlers natürlich auch anwesend. Seitdem trägt Geraldine den Nachnamen „von François”, ihr Mann Ivan ist ein Ururenkel des Windhoeker Stadtgründers Curt von François. Vor vier Jahren wurde ihr zweiter Sohn Claude geboren.
In den vergangenen 18 Jahren besuchte das Ehepaar Adler Namibia nahezu im Jahrestakt. Dass Hans-Peter Adler noch einige Male öfters im Land war als seine Frau, ist auch auf die AZ zurückzuführen: „Wir lesen die AZ täglich im Internet, und 2006 fand ich einen Artikel über Grundstücksversteigerungen in Kleine Kuppe. Ich informierte Geraldine und Ivan, da ich wusste, dass sie dort gerne leben möchten. Sie waren bei der Ersteigerung auch tatsächlich erfolgreich, weshalb ich in den folgenden Jahren mehrere Male zur Bauaufsicht nach Windhoek kommen musste“, so Hans-Peter Adler. „Heute lebt die Familie dort. Und der Wert des Hauses hat sich verzehnfacht!“, so Adler mit Blick auf die Immobilienpreisentwicklung in Windhoek.
Bei den Besuchen in Namibias Hauptstadt lässt der Ruheständler auch häufig den Kochlöffel schwingen. Dann kommen hessische Gerichte auf den Tisch, versteht sich: „Panierte Leber mit Zwiebeln und Apfelsauce oder ein schöner Schweinebraten. Die Familie liebt es, dazu der Duft durchs ganze Viertel. Aber wir mögen auch das namibische Essen!“
Die Besuche Geraldines in Deutschland sind mittlerweile auf ein unzähliges Ausmaß angestiegen – was durch berufliche Gründe zu erklären ist. Sie arbeitet als Flugbegleiterin bei Air Namibia und ist auch häufig bei den Flügen zwischen Windhoek und Frankfurt an Bord. „Wir holen Sie dann vom Flughafen ab, sie übernachtet bei uns und wir können Zeit miteinander verbringen“, sagt Hans-Peter Adler.
Wie sehr die beiden Familien mittlerweile zusammengewachsen sind, zeigte sich beispielsweise, als Verena Adler vor einigen Jahren schwer krank ins Koma fiel. „Das war eine schwere Zeit für mich, und ich war froh, dass ich die Unterstützung von Geraldine und Ivan hatte“, sagt Hans-Peter Adler. „Aber wir haben alles gut überstanden. Und wenn die Gesundheit mitspielt, wollen wir 2019 unsere Goldene Hochzeit hier feiern.“ Dann dürfte auch die namibische Familie von Geraldine, zu der die Adlers ebenfalls einen guten Draht aufgebaut haben, komplett anwesend sein. „Sehr viele hübsche Frauen. Mein Großvater hatte also Recht!“, freut sich ein lachender Hans-Peter Adler.
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Allgemeine Zeitung
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