Zähneknirschen – mehr als ein lästiges Geräusch im Bett
Vor ein paar Jahren ging eine Geschichte durch die Presse, die weltweit für Schlagzeilen sorgte. Ein Mann wacht morgens auf. Neben ihm liegt seine tote Frau. Ermordet. Schnell wird klar, dass nur er selbst seine Frau umgebracht haben kann. Der Mann kann nachweisen, dass er Schlafwandler ist und deshalb diese Tat nicht bewusst begangen haben kann. Die Sensation: Das Gericht spricht ihn von jeder Schuld frei.
Schlafwandlen gehört zu den fast 50 bestehenden Parasomnien (lat.: „im Schlaf auftretend”). Parasomnien sind Verhaltensauffälligkeiten, die während des Schlafes auftreten können. Alpträume, Wadenkrämpfe, Schnarchen, Atemausetzer während des Schlafens gehören zu der langen Liste der Parasomnien, die in der internationalen Klassifizierung von Krankheiten zu den schlafbezogenen Bewegungsstörungen gezählt werden. Eine der am häufigsten vorkommenden Schlafstörungen ist das Zähneknirschen (Bruxismus). Fast jeder fünfte Deutsche soll laut Statistik dauerhaft darunter leiden. Jeder Zweite immerhin noch zeitweise.
Was passiert da genau? Während des Schlafens reiben oder mahlen dabei die Zähne mit um ein Vielfaches des normalen Kaudruckes auf den Zahnflächen. Dabei wird der Zahnschmelz, der die härtesteste Substanz in unserem menschlichen Körper darstellt, mit der Zeit abgerieben. Die Zähne werden dadurch kürzer. Der Zahnschmelz bekommt Risse und verschleißt. Manchmal reibt er sich bis auf die Zahnwurzeln ab, was die Temperaturempfindlichkeit der Zähne erhöht. Eisessen oder Teetrinken wird damit zur schmerzhaften Angelegenheit. Zudem können durch die Überbelastung Schäden und Schmerzen an der Kaumuskulatur und den Kiefergelenken auftreten. Selbst Ohrgeräusche (Tinnitus), Kopfschmerzen, Verspannungen der Halsmuskulatur und Rückenschmerzen können die Folgen sein. Das liegt daran, dass unser Kausystem über Muskeln und Sehnen mit unserem Bewegungsapparat, unserem Gehirn und unseren inneren Organen verknüpft ist. Somit kann das gesamte körperliche Wohlbefinden beeinträchtigt werden.
Das Zähneknirschen tritt vorwiegend während des Schlafens auf, deswegen ist es höchstens unserem Bettnachbarn bewusst. Aber auch während des Einkaufens oder Telefonierens kann es zu unbewusstem Zähneknirschen kommen.
Was steckt hinter diesem Phänomen? Forscher vermuten als auslösenden Faktor emotionalen Stress, unverarbeitete Erlebnisse, Ärger, Wut und Zorn. Dabei „verbeißt” sich der Knirscher in seinen Ärger. Der unverarbeitete Frust des Tages entlädt sich auf den Zähnen. Somit wird das Zähneknirschen auch zu den psychosomatischen Krankeitsbildern gezählt. Durch das Knirschen findet unser Körper vermutlich ein Ventil, um den emortionalen Druck abzulassen. Auch in der Redewendung „zähneknirschend (etwas) zugestimmt“ kommt zum Ausdruck, dass wir etwas schwer akzeptieren können, wenn wir mit den Zähnen knirschen.
Eine Knirscherschiene kann Abhilfe schaffen. Sie wird vom Zahnarzt individuell angefertigt, besteht aus Kunsstoff und wird vor dem Zu-Bett-gehen auf die unteren Zahnreihen aufgedrückt. Die Knirscherschienen zielen darauf, den Verlust weiterer Zahnsubstanz zu verhindern. Eine Knirscherschiene ist weder schön, noch sexy – aber effektiv. Die Gesundheit der Zähne wird erhalten und auch anderen Gesundheitsschäden wird vorgebeugt. Ganz stoppen kann man das Knirschen allerdings nicht. Eine psychotherapeutische Behandlung stellt eine gute Ergänzung zum zahntherapeutischen Hilfsmittel dar, um zu lernen, mit emotionalem Frust besser umzugehen.
Kerstin van Wyk
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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