Zu Fuß auf der Grenze - eine Wanderung zwischen Ost und West (Teil 1/6)
Zu Fuß auf der Grenze – eine Wanderung zwischen Ost und West (Teil 1/6)
Vor drei Jahren hat die Windhoekerin Susan Martens, zusammen mit ihrem damals dreijährigen Riesenschnauzer Paco den Olavsweg, einem Pilgerweg in Norwegen zurückgelegt. Drei Jahre später packte sie die Wanderlust erneut und zusammen mit ihrem treuen Begleiter Paco legte sie von Anfang August, bis Ende September dieses Jahres einen Teil des sogenannten Grünen Bandes zurück, der damaligen Grenze, die Deutschland über annähernd vier Jahrzehnte teilte.
11. bis 14. August 2015
Nach der Reise ist vor der Reise. Das habe ich mir vor drei Jahren schon gesagt, als ich mit meinem Hund Paco vom Olavsweg – einem Pilgerweg in Norwegen - zurück nach Windhoek kam. Die Anstrengungen dieses knapp 500 km langen Weges waren längst vergessen und die Abenteuerlust hatte mich erneut gepackt. Natürlich wollte ich, nur mit Paco als Begleiter, ein neues Abenteuer erleben, denn der Riesenschnauzer und ich sind bereits ein eingespieltes Team. Ohne ihn konnte ich mir eine solche Reise nicht vorstellen. Allerdings sind wir inzwischen drei Jahre älter geworden, d.h. genau genommen ist Paco ja 21 Jahre älter, wenn man die Umrechnungspauschale von 1:7 von Menschen- auf Hundejahre nimmt. (Bin ich froh, dass ich ein Mensch bin.) Damit steht Paco kurz vor seinem Status als Hunde-Veteran und ich ... nun ja, eine Frau wird nun mal nicht älter als 38.
Die Wahl unserer neuen Reise fiel auf die sogenannte „Grüne Grenze“ oder auch „das grüne Band“ – die damalige Grenze zwischen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland. Auf rund 1 270 km schlängelt sie sich von Tschechien aus an den innerdeutschen Landesgrenzen zwischen Thüringen und Bayern, Hessen und Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig Holstein bis hin zur Ostsee entlang. Mehr als 30 Jahre war Deutschland durch diese unmenschliche Grenze durch eine Betonmauer, Stacheldraht und Minenfeldern getrennt, dem sogenannten Todesstreifen. Von unzähligen Wachtürmen aus, die entlang dieser Grenze errichtet wurden, wurde der Grenzstreifen unentwegt beobachtet. Familien, die zusammen gehörten waren plötzlich durch einen grausamen Kampf zwischen selbstherrlichen und machthungrigen Politikern auseinander gerissen. Viele Bürger aus dem Osten versuchten über diese Grenze in den Westen zu fliehen. Oft endete diese Flucht im Tod. Diejenigen, die es schafften, gelang die Flucht nur auf abenteuerlichste Weise.
Der Grenzstreifen oder auch Niemandsland genannt, verlief mitunter quer durch Ortschaften und Viele, deren Häuser im Weg dieser neuen Grenze standen, wurden zwangsumgesiedelt, ihre Häuser rücksichtslos dem Erdboden gleichgemacht. Entlang der DDR zum „Feindesland“ hin, wurde ein einfacher Weg errichtet, zum Teil aus Lochbetonplatten, damit man dort mit entlang patrouillieren konnte. Dieser Weg ist als Kolonnenweg bekannt. Bei einigen Abschnitten wurden die Löcher im Laufe der Jahre mit Erde zugeschwämmt oder sind mit Pflanzen zugewachsen. Über etliche Kilometer sind diese Löcher jedoch gefährliche Fallen, und wer nicht aufpaßt und kein festes Schuhwerk trägt, kann mit dem Fuß hinein geraten und oft mit schmerzhaften Folgen umknicken.
Dieser breite, nun unbenutzte Grenzstreifen, konnte sich im Laufe der vergangenen 40 Jahre ungestört zu einem Biotop mit einer Vielfalt an Flora und Fauna entwickeln. Nicht nur Pflanzen, sondern vor allem Tiere, die eine ungestörte Natur bevorzugen, haben dort ihre Brutstätten, bzw. ihre Jagdreviere eingerichtet. Inzwischen ist dieses Land, das auch das „grüne Band“ genannt wird, ein geschütztes Naturparadies.
Und genau dieses Naturparadies hatte es mir angetan. Natürlich hatte ich nicht genügend Zeit, den gesamten Weg von der Tschechischen Grenze bis an die Ostsee zu laufen, aber zumindest wollte ich die ca. 500km von Hof bis Eichenberg in etwa vier bis fünf Wochen zurücklegen.
Sorgfältig wurde die Reise geplant, Proviant eingekauft und die Reisebekleidung abgewogen. Jedes Extragramm zählte, denn ich und Paco sind beide nicht gerade ein Schwergewicht und das Gepäck muss bei dieser Wanderung ja auch getragen werden. Doch auch dieses Mal sollte Paco wieder sein Hunderucksack mit seinem Futter zufallen.
Am 11. August 2015 ging es los und mit zwei Stunden Verspätung flogen wir vom Hosea-Kutako-Flughafen ab Richtung Frankfurt. Diesmal machte Paco nicht so ein Theater wie bei unserer Reise vor drei Jahren. Zumindest habe ihn nicht gehört.
12.8. – Mittwoch: In Frankfurt wurde Paco recht schnell abgeladen. Zuerst bellte er zwar, allerdings beruhigte er sich bald wieder. Leider war seine Transportkiste ziemlich demoliert. Das eine Rad war richtig herausgerissen und die anderen drei Räder fehlten gänzlich. Was um Himmels Willen war da passiert? Wie konnte man die Räder von der Kiste entfernen, ohne die Kiste ganz umzudrehen? Ich wollte es erst nicht wissen.
Michael, den wir bereits auf dem Olavsweg vor drei Jahren kennengelernt hatten und der in Frankfurt wohnt, holte uns vom Flugplatz ab. Leider gab es kaum Zeit zum Reden und Entspannen, denn unser Zug nach Hof fuhr bereits um 14.15 Uhr und durch unseren verspäteten Abflug kamen wir auch entsprechend später in Frankfurt an.
Meine Tochter, die zur Zeit in Deutschland lebt, hatte in Hof ein nettes Hotel, in der Nähe des Bahnhofs gebucht, in dem auch Paco willkommen war. In einem uralten Restaurant aß ich später ein lekkeres Schnitzel und Paco bekam sogar gleich eine Schüssel Wasser. Das wäre in Namibia nicht passiert. Zurück im Hotel mußte ich erstmal meinen Rucksack umpacken. Nach all der Umsteigerei war der gesamte Inhalt verrutscht und ich mußte einige Sachen etwas anders verteilen. So etwas merkt man immer erst, wenn man den Rucksack eine Weile getragen hat. Die Nacht war warm, feucht und schwül und etwas Rotwein half mir beim Einschlafen.
13.8. – Donnerstag: Morgens erwischten wir gerade noch den Bus nach Ullitz. Dort angekommen verliefen wir uns prompt und waren erst gegen 9.30 Uhr auf dem richtigen Weg. Doch an einem Wald liefen wir wieder falsch und mußten umkehren um uns neu zu orientieren. Endlich fanden wir den richtigen Pfad, diesen Kolonnenweg aus dem Lochbeton, und genossen die schöne Landschaft trotz der schwülen Luft. Die Hitze machte uns durstig und bei einem Brunnen band ich meinen Regenhut an einen Stock, um für Paco etwas Wasser heraus zu fischen, nur um danach festzustellen, dass in drei Meter Entfernung, offenes, frisches Wasser war.
Wir liefen weiter auf dem sogenannten Kolonnenweg, aber die Wegbeschreibung die wir hatten, war sehr vage. Schließlich kamen wir zu einem Tierheim, wo Paco erstmal Wasser und ich eine Melone bekam. Wie es sich herausstellte, waren wir wieder auf dem falschen Weg, doch freundlicherweise wurden wir per Auto wieder zum Kolonnenweg gebracht, der etwa drei bis vier Kilometer entfernt lag.
Wir dachten schon, jetzt kann es endlich richtig losgehen. Doch keine 200m weiter war eine Abzweigung. Etwas unsicher bogen wir nach links ab; das war Gott sei Dank richtig. Wieder lag ein heißer und schwüler Tag mit einer Temperatur von ca. 35 Grad vor uns. An einem Schild trafen wir auf einen weiteren Wanderer namens Sebastian. Sebastian kam aus München und wir verstanden uns von Anfang an sehr gut, deshalb beschlossen wir, den Weg ab jetzt gemeinsam weiter zu gehen. Die Hitze machte Paco ebenfalls sehr zu schaffen. Seine Beine zitterten so, dass ich ihm seinen Rucksack abnahm. An einem Teich machten wir deshalb Rast. Paco schwamm erstmal eine Runde und trank viel Wasser. Dann schlief er eine Weile. Der weitere Weg verlief durch einen Wald, wo es kühler und viel angenehmer zum Laufen war. Sebastian und ich beschlossen dort unser Lager für die Nacht aufzuschlagen, denn nach Hirschberg – unserem eigentlichen Tagesziel – war es zu weit und viel zu heiß.
14.8. – Freitag: Von unserem Lagerplatz nach Hirschberg in Thüringen waren es nur noch ca. zehn Kilometer. Der Weg dorthin führte uns wieder durch den Wald und wir genossen die kühle, würzige Luft, die von den Nadelbäumen ausgeströmt wurde. Bereits um 11 Uhr waren wir in Hirschberg, wo wir nach einigen vergeblichen Unterkunftsanfragen schließlich im Hotel Kleeblatt landeten. Es war sehr schön dort und die Menschen waren sehr freundlich und zuvorkommend. Um Kosten zu sparen teilten Sebastian und ich uns ein Zimmer. Leider schnarchte Sebastian ziemlich, und mir war, als sägte er in der Nacht nicht nur einen einzelnen Baum, sondern einen ganzen Wald ab.
Agnes Hoffmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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