Zu Fuß auf der Grenze - eine Wanderung zwischen Ost und West (Teil 5/7)
4. bis 7. September 2015
4.9. – Freitag: Am Morgen hatten wir uns bereits in Dankmarshausen verlaufen. Doch mit Hilfe des Kompasses erreichten wir einen Berg, wo der Kolonnenweg kaum sichtbar und vom Wald total überwachsen war. Erst etwas weiter konnte man den Weg wieder erkennen. Wir hielten uns an die Wegweiser vom Grünen Band und kamen nach Kleinensee und von dort nach Großensee, immer an einer Bahnlinie entlang. Weiter ging es nach Obersuhl, Untersuhl und dann Gerstungen. Es war anstrengend, auf der harten Straße zu laufen. Daher lief ich meistens nebendran, weil der weichere Boden dort den Schritt besser abfedert und somit die Gelenke geschont werden. Außerdem ging es immer bergauf- und bergab was Paco und mir viel Kraft abverlangte. Wir schliefen in einer Ferienwohnung mit Terrasse, von der aus Paco jeden anbellte, der vorbeilief. Er fühlte sich richtig zu Hause und wollte natürlich auf sein neues Reich aufpassen. Von dieser Terrasse aus konnten wir den Monte Kali sehen. Das ist ein riesiger Berg aus Kochsalz, einem Abfallprodukt der Kaligewinnung. Mit diesem Salz könnte man Deutschlands Küchen über zirka 1 000 Jahre versorgen. Wir kauften schnell noch einige Vorräte ein – auch teures Hundefutter. Da Sebastian und ich allmählich keine Schnitzel mehr sehen konnten gingen wir abends zum Italiener. Der Monte Kalil schien uns richtig zu verfolgen. Immer wieder war er in den nächsten Tagen zu sehen. Was wir zu dieser Zeit allerdings noch nicht wußten war, dass es zwei von diesen Bergen gab. Wir sind eben mal an dem Einen und mal an dem Anderen vorbei gelaufen.
5.9. – Samstag: Obwohl wir am Vortag den Weg aus Gerstungen heraus schon mal erkundet hatten, liefen wir mal wieder falsch. Dazu kam noch, dass ein Wegweiser falsch angebracht war. Nach einigem hin- und her befanden wir aber endlich auf dem richtigen Weg. Wir kamen gut voran. Es war etwas kühl. Sonne wechselte sich mit Wolken ab und am Mittag lud uns eine kleine Rasthütte zu einem Mittagsschläfchen ein. Doch für Sebastian war die eine Bank zu klein – er fiel prompt runter. Paco lag vor der Hütte, als er plötzlich böse an zu bellen anfing. Ich sah einen älteren Mann, der eine Plastiktüte trug, auf uns zukommen und gleich zu wettern anfing. Er beschwerte sich über die heutige Jugend und die Muslims, die sich nicht integrieren wollten usw. Ich konnte ihn kaum verstehen weil Paco so laut bellte. Plötzlich drehte sich der Mann um und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Später im Dorf sahen wir ihn wieder. Da trug er jedoch ein anderes Hemd und einen Rucksack statt der Plastiktüte. Als er uns sah beeilte er sich von uns wegzukommen. Merkwürdig. Wir haben es gerade noch geschafft den Gasthof in Herleshausen zu erreichen, bevor es anfing zu gießen. Die Eigentümer waren sehr nett und vor allen Hundebegeistert. Es war zudem auch Sebastians und mein letzter Abend zusammen und wir ließen ihn mit einer Flasche Rotwein und Schnitzel (schon wieder!) ausklingen. Am nächsten Morgen wollte ich dann schon sehr früh alleine los, denn ich hatte zirka 21 km vor mir.
6.9. – Sonntag: Sebastian fuhr heute mit der Bahn nach Kassel. Paco begriff zuerst nicht, dass Sebastian nicht mehr mit uns mitkam. Er schien richtig traurig zu sein, denn er mochte Sebastian gern. Der Weg bis Willershausen ging relativ glatt, obwohl ich von meinem GPS Gebrauch machen mußte. Nach Ifta hin war es schwieriger und ich mußte nun auch noch Kompass und Karte zu Hilfe nehmen. Dann kam ich wieder auf den Kolonnenweg, der in diesem Teil sehr schön und gut zu laufen war. Ich merkte, dass ich etwas weniger Gewicht zu tragen hatte, denn ich hatte Sebastian nochmal zwei Kilogramm mitgegeben, die er zu Michael nach Frankfurt weiterschicken sollte. Es war regnerisch und nach mehreren Auf- und Abstiegen machte ich erschöpft unter einem Schild fast eine Stunde Rast. Anschließend liefen wir weiter und kamen eine halbe Stunde später beim Heldrastein an. Dies ist eine Aussichtskanzel mit malerischem Blick ins Tal und auf die dort durchfließende Werra, die weit dort unten in Richtung des hessischen Dorfes Heldra und am thüringischen Städtchen Treffurt vorbeifließt. Dafür hatte sich der ca. 325 m Anstieg richtig gelohnt. Außerdem gab es dort in einem kleinen Ausflugslokal herrlichen Kaffee und Kuchen. Frisch gestärkt ging es recht problemlos nach Treffurt. Wir liefen durch die malerische Altstadt mit vielen wunderschönen Fachwerkhäusern und fanden schnell das Hotel Waldblick. Die Wirtin des Hotels – was mit seinen 83 Euro pro Nacht übrigens recht teuer war– war sehr freundlich. Wir waren wirklich geschafft von den rund 29km die wir an diesem Tag zurückgelegt hatten und schliefen in dieser Nacht tief und fest.
In Treffurt gibt es übrigens drei Amtshöfe. Sie entstanden aus der Zeit, wo der Erzbischof von Mainz und die Landgrafen von Thüringen und Hessen sich verbündeten und jahrhundertelang gemeinsam Treffurt und die umliegenden Dörfer regierten, nachdem sie die Ritter, die Treffurt zuerst von Burg Normannstein aus regierten, gemeinsam vertrieben hatten.
7.9. Montag: Wir liefen um ca. 7.45 Uhr los und hatten nach kurzem aber kräftigen Anstieg Burg Normannstein erreicht von wo aus wir einen schönen Blick auf Treffurt hatten. Unser nächstes Ziel war die Adolphsburg, die sich aber für uns etwas enttäuschend als eine kleine Hütte entpuppte. Anschließend kamen wir an eine große Kreuzung an der fünf Wanderwege zusammentrafen. Wir standen vor einem regelrechten Schilderwald, aus dem ich jedoch überhaupt nicht schlau wurde. Unter den Schildern befand sich auch das Erkennungsschild vom Grünen Band, aber leider zeigte es keine Richtung an. Zwei Schilder wiesen in verschiedenen Richtungen den Weg nach Treffurt, allerdings kamen wir ja gerade von dort. Auch gab es keine Karte, wo der Standort angegeben wurde, dass man sehen konnte, in welche Richtung man weiter laufen mußte. Es half nichts; ich zückte meinen Kompass und wir liefen durch ein Tal, wo ich einen Ortsansässigen um die weitere Wegbeschreibung bat. Es ging erst über eine Straße, dann durch eine Schlucht mit steilen Felsabbrüchen und wunderschönen Orchideen und schließlich kraxelten wir einen Hügel rauf in Richtung Katharinenberg. Dort lief uns ein Mufflon-Ramm über den Weg. Leider war er so schnell wieder verschwunden, dass ich keine Zeit hatte, meinen Fotoapparat heraus zu holen. Es nieselte schon eine ganze Weile. Der Weg war sehr steil und matschig und meine Stiefel wurden schwer vom Schlamm. Endlich, oben auf dem Hügel trafen wir wieder den Kolonnenweg, dem wir dann folgten. Mittags fanden wir eine überdachte Bank und Tisch und machten eine wohlverdiente Pause. Ich legte mich einfach auf den Tisch und Paco darunter. Es war zwar hart, aber Hauptsache trocken und so schliefen wir eine Runde. Anschließend liefen wir bis Döringsdorf und von dort aus noch vier km bis nach Wanfried, wo wir ein nettes Zimmer für die Nacht fanden. Wanfried ist ein hübsches Dorf mit vielen Fachwerkhäusern.
Leider ging es Paco wieder nicht gut. Er hatte ziemlichen Durchfall. Es half nichts – ich mußte mit ihm wieder einen Tierarzt aufsuchen. Zu meiner großen Überraschung erzählte mir der Tierarzt, dass er und seine Frau zweimal im Jahr Urlaub in Namibia machen und sie die Weihnachtszeit gerne in Wlotzkabarken verbringen, wo sie auch die „Martenssippe“ kennen! Tja ... die Welt ist wirklich klein.
Agnes Hoffmann
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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