Zurück zu den Ursprüngen
Die Ankunft nach einer Woche im sonst so beschaulich wirkenden Kaiserbad Swakopmund gerät zu einem Kulturschock: Überall wuselnde Menschen, überall Autos. Nichts wünschte ich mir in diesem Moment mehr, als zurück zu können, in die Natur, in die Stille, in den Busch. Sieben Tage dauerte die Reise zurück zu den Ursprüngen des Menschseins, in das im Nordwesten Namibias gelegene Damaraland. Lagerfeuer mit duftendem afrikanischem Hartholz, das wir in den ausgetrockneten Flusstälern suchten. Eine Ruhe und Weite, weitab jeglicher Städte und Straßen, die sich tief in den eigenen Geist einbrannte. Und schließlich die Übernachtungen im Freien, direkt unter dem Kreuz des Südens, der gewaltigen Milchstraße und unzählbaren Sternschnuppen.Eine Woche zuvor ahnte man nicht, wie sehr die anstehende Safari das eigene Denken verändern würde. Im klimatisierten Minibus des Transferservice "Townhoppers" geht es zunächst von Windhoek ins "Hotel Pension Rapmund" im Kaiserbad Swakopmund. Die Nacht ist mild, das Fenster bleibt also offen, das rauschende Meer ist vom Bett aus zu hören. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit knusprigen Brötchen und frischem Kaffee im Hotel kommt ein stämmiger Mann auf mich zu:"Hallo, ich bin der Andi", stellt sich unser Safari-Guide von Desert Adventure Safaris vor. Dann kommt Natascha, sie ist die zweite Mitreisende. Eine Woche werden wir nun zusammen verbringen, nur wir drei. Ohne andere Menschen, ohne Mobilfunkempfang oder Radio. Noch bevor mir dieser Gedanke unheimlich wird, packt Andi unsere Taschen in den Landcruiser. Nach dem Umdrehen des Zündschlüssels blubbert der Dieselmotor zum ersten Mal auf, ein Geräusch, das im Laufe der Woche für den Aufbruch in neue Weiten stehen wird.
Wir verlassen Swakopmund, das an diesem Morgen wieder in eine dicke Nebelwand eingepackt ist und fahren an der Küste auf der Salzstraße Richtung Norden. Hinter Henties Bay geht`s noch einige Kilometer an der Küste entlang, dann weiter auf der Schotterpiste landeinwärts. Dann stoppt Andi den Wagen und senkt den Reifendruck. Jetzt fahren wir weg von den Menschen, höre ich ihn sagen. Nach dem Stopp verlassen wir also die Schotterpiste und fahren auf steinigen Feldwegen richtig rein in die ersten Basaltberge. So weit das Auge schauen kann, und das sind in Namibia oft Dutzende Kilometer, ist der steinige, felsige Boden mit goldgelbem Gras bedeckt. Die Regenzeit in diesem Jahr war so gut wie seit Jahren nicht mehr. Plötzlich stehen wir auf einer gigantischen Kuppe und schauen hinab ins saftig-grüne Ugab-Flusstal. "Da fahren wir jetzt rein, vielleicht gibt`s Wüstenelefanten", sagt Andi. Wasser steht keines mehr, weicher Sand bedeckt den Boden, doch die reißende Kraft, die hier in diesem Frühjahr in der Regenzeit gewütet haben muss, ist nicht zu übersehen: Umgerissene Kameldornbäume, Steine, Wurzeln.
Es geht wohl schon Hunderte von Millionen von Jahren so, deshalb fahren wir jetzt im Tal, sage ich zu mir, während die schroff-steilen Basalt-Mauern zu beiden Seiten des Flusstals an unserem Landcruiser vorbeiziehen. Wir halten kurz an und sammeln Holz für unseren ersten Abend unter Namibias Sternenhimmel, fahren aus dem Tal hinaus, sehen Dutzende Kilometer entfernt den Brandberg liegen. Das höchste Bergmassiv Namibias wird von allen Seiten von relativ flachem Land umgeben, deshalb sticht die 2573 Meter hohe Spitze besonders stark heraus. Vor diesem Panorama hat Andi eine geeignete Stelle zum Campen gefunden: Blauer Himmel über uns, der Brandberg etwa 50 Kilometer vor uns. Wir entscheiden uns, auf das Zelt zu verzichten, stattdessen breitet Andi eine Plane aus und legt unsere Betten darauf: Weiche Matratze, dicke Decke und ein Kopfkissen sind von einem dicken Stoff ummantelt, dort sollen wir dann nachts reinschlüpfen.
Andi bereitet unterdessen schon das Abendessen vor, ein Lammcurry. In dem gusseisernen Topf braten die Lammkotletts, Gemüse kommt hinzu, Gewürze, Wasser, viel Zeit. Das Feuer brennt schon, Holz des Mopane-Baums, erklärt Andi, die Stämme sind dick, glatt und schwarz. Es brennt mit einer süßlich-würzigen Note. Es ist halb sechs, Winter in Namibia, man sitzt kurzärmlig im Campingstuhl, genießt ein Bier und den Sonnenuntergang, der den Brandberg in ein rotes Licht taucht. Kurz danach schimmert der Berg bläulich, über ihm bildet sich ein rosa Schleier. Hinter uns, dort, wo die Sonne hinter den Horizont getaucht ist, erscheint ein gelb-roter Farbstreifen. Minütlich verändert sich dieses großartige Farbspiel um uns herum, und abgesehen von einigen Flughühnern, die unter den ersten Sternen lautstark nach Hause fliegen, ist das Knacken der Mopane-Baumstämme im Feuer das einzige Geräusch inmitten der schier unendlichen Weite der namibischen Savanne.
Das Lammcurry schmeckt hervorragend, der Salat dazu auch, nicht zu vergessen der südafrikanische Rotwein im Zwei-Liter-Pack mit Zapfhahn. "Da sitzt man mitten im Busch, dreht den Hahn auf, und Wein läuft ins Glas", schmunzelt Andi. Dann, am Feuer, erzählt Andi über sich. 36, Jahre Farmersohn, Ausbildung als LKW-Mechaniker in Windhoek. Seit zwölf Jahren ist er nun bereits Safariguide. Mit kleineren Gruppen ist er 200 Tage im Jahr draußen im Busch, individuell zusammengestellte Safaris ins Damaraland, Kaokofeld, Sambia, Botsuana. "Ist einfach mein Leben."
Der Abend geht nun am Feuer weiter, man erfährt viel über Namibia, über Glanz und Schatten des Landes. Das letzte Glas Rotwein nehme ich im weichen, warmen Bett zu mir, so komfortabel kann also das Schlafen im Busch sein. Eine riesige Milchstraße durchzieht das Sternenpanorama. Das Kreuz des Südens prangt über mir. Sternschnuppen durchrasen den Himmel. Nachdem mir keine Wünsche mehr einfallen und das Glas Rotwein leer ist, schlafe ich mit dem Schnattern der Flughühner am Himmel ein.
Ich wache auf, als erneut der Duft des brennenden Mopane-Holzes in meine Nase steigt. Es dämmert. Andi bereitet schon das Frühstück vor. Morgens ist es noch kühl, da wärmt ein Sonnenaufgang mit einer Tasse Kaffee in der Hand am warmen Feuer ganz gut. Danach wird zusammengepackt. Gegen acht Uhr verlassen wir unser Lager und fahren in das 5000 Quadratkilometer große Palmwag-Konzessionsgebiet. Hier wird uns kein Mensch begegnen, kündigt Andi an. Drei Tage werden wir keinen Mobilfunk-Empfang haben. Komplette Einsamkeit. Ohne Ablenkungen, ohne Fernsehen, Radio oder Supermärkte. Viel Zeit also, um inmitten von Schluchten und Ebenen, von Hochebenen und Flusstälern ein Stück weit zu sich selbst zu kommen.
Das Konzessionsgebiet ist spektakulär, die ersten Giraffen begrüßen unsere Ankunft, Springböcke, Zebras und Oryx-Antilopen durchstreifen gemeinsam mit uns die Gegend. Noch immer ist Wasser in einigen Flusszuläufen, grüner Vegetationsreichtum am plätschernden Flusslauf paart sich mit kargen Basalthügeln. Etwas Zeit bleibt nach der Ankunft an unserem heutigen Schlafplatz zum Klettern, vorbei an Kakteen und Geckos, während die tief stehende Sonne die umstehenden Basalt-Berge in ein feuerrotes Licht taucht.
Am kommenden Tag stoßen wir am Morgen auf den ersten, lang erwarteten Wüstenelefanten, der gemütlich sein Strauch-Frühstück verzehrt. Später kommen wir an Oasen vorbei: Der Uniab verläuft über weite Strecken unterirdisch Richtung Atlantik, doch an einigen Stellen sprudelt das Wasser aus dem Boden - und mit ihm eine unglaubliche Farbvielfalt. Unser heutiges Ziel ist jedoch der völlige Gegensatz: Eine "wüstige" Hochebene, hier ist wirklich jeder Grashalm bereits ein Urwald, sagt Andi. Flach bis zum Horizont. Trotzdem stehen noch einige Welwitschias am Rand, diese merkwürdigen Pflanzen, die nur in Namibia vorkommen, nicht wirklich eine Schönheit sind, aber bis zu 2000 Jahre alt werden können. Wir werden an diesem Abend nicht alt und gehen zeitig zu Bett - nicht ohne ein letztes Rotweinglas im Bett unter der Milchstraße.
Spätestens jetzt, nach fast zwei Tagen, ohne einen anderen Menschen zu Gesicht zu bekommne, haben wir jegliche Zivilisation weit hinter uns gelassen. Und trotzdem fällt es nicht schwer, sich in diesem so unaufgeregten und trotzdem aufregenden Lebensstil fallen zu lassen, ganz tief, zurück zu den Ursprüngen. Vielleicht deshalb, weil wir ja alle aus der Savanne stammen. Andi kennt diese Entwicklung bei seinen Gästen: Wo die leere Weite anfangs fast erdrückt, wird sie binnen weniger Tage zum Garanten für grandiose Selbsterfahrungen. Zurückgeworfen auf den eigenen Körper, auf den eigenen Geist, ohne Möglichkeit der Ablenkung. "Da erwacht in so manchem Manager wieder das Kind im Mann", sagt Andi noch.
Am kommenden Tag fahren wir noch nördlicher durch das Flussbett des Hoanib, und hier wartet die ersehnte Anwohnerschaft auf uns: Wüstenelefanten spielen am Wasserloch, Giraffen zupfen neben dem Auto die Blätter von den Bäumen. Paviane beobachten uns aufmerksam beim Picknick. Nur das Spitzmaulnashorn lässt sich nicht blicken, trotz frischer Fußabdrücke.
Diese Nacht schlafen wir in einem Seitenarm des Hoanib. Der Grill wird wieder angefeuert, nach der gestrigen Boerewors, einem nicht unter 400 Gramm erhältlichen Bratwurstkringel aus saftigen Schwein- und Rindfleischstücken, legt Andi heute Schaschlikspieße und Schweinesteaks auf das Rost. Nach dem Essen mit Wein und Bier greifen wir zum Whiskey. Und zum Gin. Die Flaschen stehen auf dem Tisch, die Softdrinks sind in der per Autobatterie angetriebenen Kühlbox angenehm kalt. Das Feuer brennt, heute kommt Kameldornholz ins Feuer. Die Nacht ist lau, die Gespräche gut, die Milchstraße noch immer vorhanden - an diesen Tagesablauf könnte man sich gewöhnen. Eigentlich unglaublich einfach - aber einfach unglaublich.
Der nächste Tag beginnt so wie die anderen, also wunderschön, ein Lebensrhythmus nach dem Takt der Sonne: Aufstehen in der Dämmerung, ein frischer Kaffee am Feuer zum Sonnenaufgang. Zusammenpacken. Und weiter. Doch dieser Tag wird zum absoluten Kulturschock, genial und grenzwertig zugleich. Am frühen Nachmittag kommen wir im "Mowani Montain Camp" an, einer inmitten von Granitfelsen gelegenen Lodge in der Nähe von Twyfelfontein: Der blanke Luxus in der Wüste.
Mitarbeiter George begrüßt uns in seiner entspannten Art mit einem Begrüßungsdrink unter einem riesigen Grasdach. Danach erklärt er uns Lodge und Luxus, in warmen, weichen Worten kündigt er die Häppchen zum Sundowner auf dem Berg an, sinniert über den Pool und das am Abend anstehende Drei-Gänge-Menü. Das überfordert dann doch nach vier Tagen im Busch. Mein Kopf brummt, bis wir unsere Luxuszelte bezogen haben und eine sehr, sehr wohltuende Dusche genießen konnten. Danach beginne ich, auch die Lodge zu genießen: Das Zelt liebevoll im ostafrikanischen Stil dekoriert, schwelge ich im weiten Blick über die Granitberge - vom breiten und weichen Doppelbett aus. Kein Nachbarzelt verstellt die Sicht. Diese perfekte Symbiose aus Luxus und Natur muss von Künstlern entworfen worden sein - jedes winzige Detail wirkt komponiert, alles Zivilisatorische ist in genialer Harmonie mit Natürlichem.
Danach verbleibt uns nur noch eine weitere Nacht in dieser Woche der zivilisatorischen Zeitreise. Und die verbringen wir am Fuß des Brandbergs, mit einem Rundum-Panorama und einem 400-Gramm-Rumpsteak zum Abendessen. Diese letzte Nacht ist unglaublich mild, und wir sitzen noch lange am Feuer, bis auch die Whiskey-Flasche leer ist. Danach steige ich zum letzten Mal in mein Wüsten-Bett, kuschelig und weich, und genieße ein letztes Mal inmitten von Sternen-Bombast, Brandberg und schnatternden Flughühnern das unglaublich intensive Gefühl, ein klitzekleines Teilchen dieser Erde und des Universums zu sein.
Wir verlassen Swakopmund, das an diesem Morgen wieder in eine dicke Nebelwand eingepackt ist und fahren an der Küste auf der Salzstraße Richtung Norden. Hinter Henties Bay geht`s noch einige Kilometer an der Küste entlang, dann weiter auf der Schotterpiste landeinwärts. Dann stoppt Andi den Wagen und senkt den Reifendruck. Jetzt fahren wir weg von den Menschen, höre ich ihn sagen. Nach dem Stopp verlassen wir also die Schotterpiste und fahren auf steinigen Feldwegen richtig rein in die ersten Basaltberge. So weit das Auge schauen kann, und das sind in Namibia oft Dutzende Kilometer, ist der steinige, felsige Boden mit goldgelbem Gras bedeckt. Die Regenzeit in diesem Jahr war so gut wie seit Jahren nicht mehr. Plötzlich stehen wir auf einer gigantischen Kuppe und schauen hinab ins saftig-grüne Ugab-Flusstal. "Da fahren wir jetzt rein, vielleicht gibt`s Wüstenelefanten", sagt Andi. Wasser steht keines mehr, weicher Sand bedeckt den Boden, doch die reißende Kraft, die hier in diesem Frühjahr in der Regenzeit gewütet haben muss, ist nicht zu übersehen: Umgerissene Kameldornbäume, Steine, Wurzeln.
Es geht wohl schon Hunderte von Millionen von Jahren so, deshalb fahren wir jetzt im Tal, sage ich zu mir, während die schroff-steilen Basalt-Mauern zu beiden Seiten des Flusstals an unserem Landcruiser vorbeiziehen. Wir halten kurz an und sammeln Holz für unseren ersten Abend unter Namibias Sternenhimmel, fahren aus dem Tal hinaus, sehen Dutzende Kilometer entfernt den Brandberg liegen. Das höchste Bergmassiv Namibias wird von allen Seiten von relativ flachem Land umgeben, deshalb sticht die 2573 Meter hohe Spitze besonders stark heraus. Vor diesem Panorama hat Andi eine geeignete Stelle zum Campen gefunden: Blauer Himmel über uns, der Brandberg etwa 50 Kilometer vor uns. Wir entscheiden uns, auf das Zelt zu verzichten, stattdessen breitet Andi eine Plane aus und legt unsere Betten darauf: Weiche Matratze, dicke Decke und ein Kopfkissen sind von einem dicken Stoff ummantelt, dort sollen wir dann nachts reinschlüpfen.
Andi bereitet unterdessen schon das Abendessen vor, ein Lammcurry. In dem gusseisernen Topf braten die Lammkotletts, Gemüse kommt hinzu, Gewürze, Wasser, viel Zeit. Das Feuer brennt schon, Holz des Mopane-Baums, erklärt Andi, die Stämme sind dick, glatt und schwarz. Es brennt mit einer süßlich-würzigen Note. Es ist halb sechs, Winter in Namibia, man sitzt kurzärmlig im Campingstuhl, genießt ein Bier und den Sonnenuntergang, der den Brandberg in ein rotes Licht taucht. Kurz danach schimmert der Berg bläulich, über ihm bildet sich ein rosa Schleier. Hinter uns, dort, wo die Sonne hinter den Horizont getaucht ist, erscheint ein gelb-roter Farbstreifen. Minütlich verändert sich dieses großartige Farbspiel um uns herum, und abgesehen von einigen Flughühnern, die unter den ersten Sternen lautstark nach Hause fliegen, ist das Knacken der Mopane-Baumstämme im Feuer das einzige Geräusch inmitten der schier unendlichen Weite der namibischen Savanne.
Das Lammcurry schmeckt hervorragend, der Salat dazu auch, nicht zu vergessen der südafrikanische Rotwein im Zwei-Liter-Pack mit Zapfhahn. "Da sitzt man mitten im Busch, dreht den Hahn auf, und Wein läuft ins Glas", schmunzelt Andi. Dann, am Feuer, erzählt Andi über sich. 36, Jahre Farmersohn, Ausbildung als LKW-Mechaniker in Windhoek. Seit zwölf Jahren ist er nun bereits Safariguide. Mit kleineren Gruppen ist er 200 Tage im Jahr draußen im Busch, individuell zusammengestellte Safaris ins Damaraland, Kaokofeld, Sambia, Botsuana. "Ist einfach mein Leben."
Der Abend geht nun am Feuer weiter, man erfährt viel über Namibia, über Glanz und Schatten des Landes. Das letzte Glas Rotwein nehme ich im weichen, warmen Bett zu mir, so komfortabel kann also das Schlafen im Busch sein. Eine riesige Milchstraße durchzieht das Sternenpanorama. Das Kreuz des Südens prangt über mir. Sternschnuppen durchrasen den Himmel. Nachdem mir keine Wünsche mehr einfallen und das Glas Rotwein leer ist, schlafe ich mit dem Schnattern der Flughühner am Himmel ein.
Ich wache auf, als erneut der Duft des brennenden Mopane-Holzes in meine Nase steigt. Es dämmert. Andi bereitet schon das Frühstück vor. Morgens ist es noch kühl, da wärmt ein Sonnenaufgang mit einer Tasse Kaffee in der Hand am warmen Feuer ganz gut. Danach wird zusammengepackt. Gegen acht Uhr verlassen wir unser Lager und fahren in das 5000 Quadratkilometer große Palmwag-Konzessionsgebiet. Hier wird uns kein Mensch begegnen, kündigt Andi an. Drei Tage werden wir keinen Mobilfunk-Empfang haben. Komplette Einsamkeit. Ohne Ablenkungen, ohne Fernsehen, Radio oder Supermärkte. Viel Zeit also, um inmitten von Schluchten und Ebenen, von Hochebenen und Flusstälern ein Stück weit zu sich selbst zu kommen.
Das Konzessionsgebiet ist spektakulär, die ersten Giraffen begrüßen unsere Ankunft, Springböcke, Zebras und Oryx-Antilopen durchstreifen gemeinsam mit uns die Gegend. Noch immer ist Wasser in einigen Flusszuläufen, grüner Vegetationsreichtum am plätschernden Flusslauf paart sich mit kargen Basalthügeln. Etwas Zeit bleibt nach der Ankunft an unserem heutigen Schlafplatz zum Klettern, vorbei an Kakteen und Geckos, während die tief stehende Sonne die umstehenden Basalt-Berge in ein feuerrotes Licht taucht.
Am kommenden Tag stoßen wir am Morgen auf den ersten, lang erwarteten Wüstenelefanten, der gemütlich sein Strauch-Frühstück verzehrt. Später kommen wir an Oasen vorbei: Der Uniab verläuft über weite Strecken unterirdisch Richtung Atlantik, doch an einigen Stellen sprudelt das Wasser aus dem Boden - und mit ihm eine unglaubliche Farbvielfalt. Unser heutiges Ziel ist jedoch der völlige Gegensatz: Eine "wüstige" Hochebene, hier ist wirklich jeder Grashalm bereits ein Urwald, sagt Andi. Flach bis zum Horizont. Trotzdem stehen noch einige Welwitschias am Rand, diese merkwürdigen Pflanzen, die nur in Namibia vorkommen, nicht wirklich eine Schönheit sind, aber bis zu 2000 Jahre alt werden können. Wir werden an diesem Abend nicht alt und gehen zeitig zu Bett - nicht ohne ein letztes Rotweinglas im Bett unter der Milchstraße.
Spätestens jetzt, nach fast zwei Tagen, ohne einen anderen Menschen zu Gesicht zu bekommne, haben wir jegliche Zivilisation weit hinter uns gelassen. Und trotzdem fällt es nicht schwer, sich in diesem so unaufgeregten und trotzdem aufregenden Lebensstil fallen zu lassen, ganz tief, zurück zu den Ursprüngen. Vielleicht deshalb, weil wir ja alle aus der Savanne stammen. Andi kennt diese Entwicklung bei seinen Gästen: Wo die leere Weite anfangs fast erdrückt, wird sie binnen weniger Tage zum Garanten für grandiose Selbsterfahrungen. Zurückgeworfen auf den eigenen Körper, auf den eigenen Geist, ohne Möglichkeit der Ablenkung. "Da erwacht in so manchem Manager wieder das Kind im Mann", sagt Andi noch.
Am kommenden Tag fahren wir noch nördlicher durch das Flussbett des Hoanib, und hier wartet die ersehnte Anwohnerschaft auf uns: Wüstenelefanten spielen am Wasserloch, Giraffen zupfen neben dem Auto die Blätter von den Bäumen. Paviane beobachten uns aufmerksam beim Picknick. Nur das Spitzmaulnashorn lässt sich nicht blicken, trotz frischer Fußabdrücke.
Diese Nacht schlafen wir in einem Seitenarm des Hoanib. Der Grill wird wieder angefeuert, nach der gestrigen Boerewors, einem nicht unter 400 Gramm erhältlichen Bratwurstkringel aus saftigen Schwein- und Rindfleischstücken, legt Andi heute Schaschlikspieße und Schweinesteaks auf das Rost. Nach dem Essen mit Wein und Bier greifen wir zum Whiskey. Und zum Gin. Die Flaschen stehen auf dem Tisch, die Softdrinks sind in der per Autobatterie angetriebenen Kühlbox angenehm kalt. Das Feuer brennt, heute kommt Kameldornholz ins Feuer. Die Nacht ist lau, die Gespräche gut, die Milchstraße noch immer vorhanden - an diesen Tagesablauf könnte man sich gewöhnen. Eigentlich unglaublich einfach - aber einfach unglaublich.
Der nächste Tag beginnt so wie die anderen, also wunderschön, ein Lebensrhythmus nach dem Takt der Sonne: Aufstehen in der Dämmerung, ein frischer Kaffee am Feuer zum Sonnenaufgang. Zusammenpacken. Und weiter. Doch dieser Tag wird zum absoluten Kulturschock, genial und grenzwertig zugleich. Am frühen Nachmittag kommen wir im "Mowani Montain Camp" an, einer inmitten von Granitfelsen gelegenen Lodge in der Nähe von Twyfelfontein: Der blanke Luxus in der Wüste.
Mitarbeiter George begrüßt uns in seiner entspannten Art mit einem Begrüßungsdrink unter einem riesigen Grasdach. Danach erklärt er uns Lodge und Luxus, in warmen, weichen Worten kündigt er die Häppchen zum Sundowner auf dem Berg an, sinniert über den Pool und das am Abend anstehende Drei-Gänge-Menü. Das überfordert dann doch nach vier Tagen im Busch. Mein Kopf brummt, bis wir unsere Luxuszelte bezogen haben und eine sehr, sehr wohltuende Dusche genießen konnten. Danach beginne ich, auch die Lodge zu genießen: Das Zelt liebevoll im ostafrikanischen Stil dekoriert, schwelge ich im weiten Blick über die Granitberge - vom breiten und weichen Doppelbett aus. Kein Nachbarzelt verstellt die Sicht. Diese perfekte Symbiose aus Luxus und Natur muss von Künstlern entworfen worden sein - jedes winzige Detail wirkt komponiert, alles Zivilisatorische ist in genialer Harmonie mit Natürlichem.
Danach verbleibt uns nur noch eine weitere Nacht in dieser Woche der zivilisatorischen Zeitreise. Und die verbringen wir am Fuß des Brandbergs, mit einem Rundum-Panorama und einem 400-Gramm-Rumpsteak zum Abendessen. Diese letzte Nacht ist unglaublich mild, und wir sitzen noch lange am Feuer, bis auch die Whiskey-Flasche leer ist. Danach steige ich zum letzten Mal in mein Wüsten-Bett, kuschelig und weich, und genieße ein letztes Mal inmitten von Sternen-Bombast, Brandberg und schnatternden Flughühnern das unglaublich intensive Gefühl, ein klitzekleines Teilchen dieser Erde und des Universums zu sein.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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