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Zwischen gestern und heute: Lüderitz mal anders

An der Ostseite des Hafens am Fuße des historischen Woermannhauses (Baujahr 1906) ist Neues enstanden. "Waterfront" nennt man diese Entwicklung etwas großzügig und optimistisch. Die "Waterfront" besteht aus Geschäften unterschiedlichster und in den wenigsten Fällen touristischer Art, einem Restaurant, einer größeren Esplanade mit einem Kinderspielplatz und einer kleinen Jetty mit einem schwimmenden Landungssteg.

Der alte Schulstrand ist jetzt Esplanade. Zur Stadt und dem Eisenbahnschuppen hin ist ein Kaufhaus, eine Reihe von Büros und ein Kleiderladen in die Waterfrontentwicklung integriert. Hier herrscht an Wochen- und Monatsenden reger Betrieb. Tröstlich war für mich, dass ein Stück Vergangenheit sich doch noch in das moderne Lüderitzbucht hinübergerettet hat: ein Anschlag an der Tür des Zahnarztes verriet, dass der Zahnarzt nur einmal im Monat nach Lüderitz komme und Termine in Keetmanshoop anzumelden sind. Fast wie vor 50 Jahren. Störend ist, dass die Hafenstraße direkt durch diesen Geschäftskomplex führt und der rege Autoverkehr, zwar durch mehrere Straßenschwellen gebremst, sich mit den Fußgängern um Vorfahrt und Platz in dieser Einkaufszone streitet.

An diesem besonderen Tag kam die Waterfront voll zur Geltung, als die 900 Passagiere dort an dem schwimmenden Landungssteg an Land gingen und zunächst die Waterfront nach Attraktionen erkundeten, bevor sie sich in alle Richtungen in den Straßen von Lüderitzbucht verloren und in den Restaurants, Kaffeestuben, Souvenirläden und Geschäften nach Einkaufs- und Erfrischungsmöglichkeiten suchten.
Sehr elegant, ja modern und mit einem herrlichen Ausblick auf den Roberthafen nach Norden hin, gibt sich der neue Yacht-Club, der Teil des "Waterfront"-Komplexes ist. Dort ist ein Sundowner am Tagesende eigentlich ein Muss. Allerdings scheint die Anzahl der Segler gewaltig geschrumpft. Ich konnte lediglich vier Segelboote vor Anker zählen, unter ihnen auch die altbekannte "Sedina", auf der ich so manche Morgenfahrt mit Manfred und Gabi Wedell miterlebt habe. Früh morgens um 7 Uhr legten wir damals von der Spitze der Betonjetty ab und spätestens um 7.30 Uhr auf der Höhe von Sturmvogelbucht, wurde ich von Manfred unter Deck in die Kajüte beordert um den ersten Kaffee mit Schuss, zur Vorbeugung gegen eventuelle Schäden durch Wind und Wetter zu schlürfen.
Apropos Schulstrand. Der Zustand der alten "Deutschen Schule Lüderitzbucht" (Baujahr 1929) in der Vogelsangstraße stimmt traurig. Das Gebäude sieht recht verwahrlost aus und stellenweise fehlen der Putz und die Dachpappe.

Dem Vernehmen nach, mietet dort die Regierungsschule, die vertraglich für die Instandhaltung verantwortlich ist. In der Schule haben von 1930 bis 1972 unter der Regie des Deutschen Schulvereins Lüderitzbucht, Generationen von Kindern aus dem ganzen Land das ABC gelernt und ihre Schulabschlussprüfungen abgelegt. Heute noch erinnern sich die Altschüler gerne an eine herrliche Schulzeit dort, wie etwa bei Altschülertreffen, von denen das letzte im Oktober 2005 am Hardapdamm stattgefunden hat und von einer Gruppe Altschülerinnen hervorrragend organisiert worden war.Oberhalb des Schulgebäudes auf dem Hügel ist der massive zweiteilige Bau des "neuen" Schülerheims zu sehen, das 1965/66 mit Hilfe von deutschen Bundesgeldern entstanden ist und leider nur 6 Jahre in seiner Funktion als Internat dienen konnte. 1972 musste die Deutsche Schule Lüderitzbucht aus wirtschaftlichen Gründen ihre Tore schließen, und damit der Heimkomplex auch. Nach der Unabhängigkeit Namibias wurden die Gebäude dem Erziehungsministerium überschrieben und dienten lange Zeit den Lehrern der Staatsschulen als Unterkunft. Seit 1997 hat der Neubau des attraktiven "Seaview Hotels Sperrgebiet" zu Füßen des Heimgebäudes das Stadtbild ergänzt.

Zu dem Schulgebäude und Woermannhaus-Komplex gehörte vor mehr als 50 Jahren auch das sogenannte Jungenheim in der Diazstraße. Das Gebäude fungierte bis 1966 als Schülerheim. Heute heißt das frühere Internat "Treasure Island Casino und Bar" und ich bin sicher, die ehemaligen Schüler hätten damals ein solches Etablissement dort durchaus begrüßt. Der Tennisplatz nebenan macht einen etwas desolaten Eindruck.

Gegenüber dem ehemaligen Jungenheim wirbt das Museum (1966 eröffnet), das zwei Generationen aus der Eberlanz-Familie seine Entstehung verdankt und in dem jahrzehntelang die unvergessene Frau Anneliese Dyck die historischen Schätze, die dort untergebracht sind, überaus gewissenhaft verwaltetete, sehr bescheiden um Besucher. Die frühere Badeanstalt, links von dem Museum, erstrahlt in dunklem Blau und rechts lädt ein orange gefärbter Metzgerladen zum Einkauf ein. Hinter diesen farbenfrohen Gebäuden, zum Meer hin liegt der Plietzstrand, an dem vor 55 Jahren portugiesische Fischer, die von den Fischfabriken aus Madeira angeheuert worden waren, in ihren aus Holz gezimmerten Unterkünften lebten.

Klaus J. Becker, Januar 2007

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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