Zwischen gestern und heute: Lüderitzbucht mal anders (Teil 3)
Die unzähligen Glasscheiben an der Straßenseite sind größtenteils zerbrochen und geben dem Gebäude ein verlottertes, verlassenes Aussehen. Drinnen wird irgendwo geschweißt und gehämmert.
Die Struktur der riesigen Halle besteht aus Stahlträgern, die damals in Deutschland vorgefertigt und 1911 in Lüderitzbucht zusammengebaut wurden. Mit Turbinen wurde in diesen Hallen Strom für Lüderitzbucht, Kolmannskuppe und die südlichen Diamantfelder erzeugt und mit Kondensatoren Süßwasser für den Stadtbedarf produziert. Zu den großen Desastern der Vergangenheit Lüderitzbuchts gehören der Großbrand im E-Werk 1948 und die Kesselexplosion 1965, nach der die Lüderitzbuchter wochenlang mittels Tankwagen mit Süßwasserrationen versorgt werden mussten. Heute ist das E-Werk im Stadtbild von Lüderitzbucht ein absoluter Schandfleck. Aber es kommt noch schlimmer. Am E-Werk vorbei führt die Diazstraße zu dem Gebäudekomplex der stillgelegten "Luries" Langustenfabrik, die lediglich durch die Straße von dem Ufer des Meeres getrennt wird. Das Gebäude ist nur noch Ruine, es fehlen sogar Dächer und ganze Wände. Die Fabrik, die noch in den 1950er Jahren gekochte Langustenschwänze in Dosen herstellte und nach Amerika exportierte, bietet heute einen absolut jämmerlicher Anblick und müsste dringend abgerissen werden.
Am Ende der Diazstraße erwartet den Besucher der Badestrand und das relativ neue mehrstöckige "Nest Hotel". Genau auf dem Platz, auf dem heute ein modernes Hotel direkt am Meer in die Höhe ragt, stand damals das "Strandcafé". Vis-a-vis dem kleinen Strand, an dem die Wellen sich brechen, gab es vor 55 Jahren ein Sammelsurium von bunt angestrichenen, hölzernen Badehäuschen - alle im Privatbesitz, die an Wochenenden von sonnenbadenden und sich in der Brandung tollenden Besitzern und Gästen frequentiert wurden. Vor den Buden tummelte sich die Jugend wohlig im sonnenerwärmten Sand, die Mädchen in keuschen Badeanzügen, die Jungen in bunten "Speedos". Die Brücke, die am Badestrand ins Meer ragt und damals mit zwei federnden Sprungbrettern zum sportlichen Eintauchen in die ungezähmten und eiskalten Gewässer des Atlantiks einlud, ist heute baufällig und gesperrt.
Von der Diazstraße kommt man in die Nachtigallstraße, deren prominentestes Geschäft einst die "Bäckerei Celbrodt" war. Heute bietet dort "Cymot" seine Waren an. Gegenüber liegt der "Kratzplatz", der als Frühstückspension zur Übernachtung einlädt und mit einer auffälligen dunkelroten Farbe die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich zieht. Die Farbe zieht sich um die Ecke bis in die Bergstraße, wo in dem Gebäude (erbaut 1911), in dem ganz früher eine Handelsfirma und später eine religiöse Sekte untergerbracht waren, das Wirtshaus "Barrels" entstanden ist. Daran reihen sich in der Bergstraße, in Richtung Felsenkirche, verschiedene, in leuchtenden Farben gestrichene Fassaden: das "Friedrich-Eberlanz-Haus", einstmals eine Sattlerei, erstrahlt in grellem Gelb, neben dem einstöckigen, blau getünchten Wohnhaus (erbaut 1910) an der Ecke der Uferstraße.
Das "Kreplinhaus" (Baujahr 1909) schaut würdig auf die Bergstraße hinab. In diesem Haus wohnte einst der erste, sehr angesehene und langjährige Bürgermeister von Lüderitzbucht (1909 bis 1920), der es durch die Diamantenfunde bei Lüderitzbucht zu beträchtlichem Vermögen gebracht hatte, das er in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wieder verlor. Er siedelte später nach Omaruru um und nahm sich 1932 tragischerweise in Swakopmund das Leben, "aus wirtschaftlicher Bedrängnis", wie es ein Zeitungsbericht damals ausdrückte. Von dem "Kreplinhaus" führt der Weg schließlich zu einem der ältesten Geschäfte in Lüderitzbucht, zu "Krabbenhöft & Lampe" (erbaut 1909) am südlichen Ende der Bismarkstraße. Krabbenhoeft, der das Handelsgeschäft schon 1880 in Keetmanshoop begonnen hatte, nahm 1906 Herrn Oskar Lampe als Partner mit in die Firma auf. 1909 wurde die Lüderitzbuchter Niederlassung Hauptgeschäftsstelle (es gab außer dem Geschäft in Keetmanshoop auch noch eine Niederlassung in Hendrik Witboois Gebiet, in Gibeon). Die Fassade lässt sich mit ihrem adretten, beige und braunen Anstrich die lange, fast 100-jährige Geschichte, nicht anmerken. Die Geschäftsräume dahinter, in denen heute Möbel verkauft werden, sind von einer langen, wechselhaften Geschichte gezeichnet. Die frühere Wohnung des Kaufmanns Lampe im ersten und zweiten Stock empfiehlt sich als Ferienunterkunft.Oberhalb von "Krabbenhoeft & Lampe" liegt an den Diamantberg gedrückt das bekannte "Goerke-Haus" (erbaut 1909/10). Früher auch mal als das Blaue Haus bekannt, diente es viele Jahre dem Magistrat Lüderitzbuchts als Wohnung. Das Blaue Haus ist inzwischen weiß und beige gestrichen, sorgfältig restauriert und kann zu gewissen Zeiten auch von innen besichtigt werden. Mit seinen Erkern, Verzierungen, der Sonnenuhr auf der Nordseite, den Mansarden, holzgeschnitzten Balkons und dem Natursteinfundament ist es heute noch anschaulicher Beweis für Handwerkskunst und - geschick und phantasievolle Gestaltung, die sich gegen das schroffe, verwitterte Gestein des Diamantberges in ewigem ungelösten Kontrast abhebt. Hundert Schritte weiter, auch im Windschatten des Diamantberges, entsteht zur Zeit ein neues, ebenfalls sehr geräumiges, einstöckiges Wohnhaus, ein als eckiger Block mit dunklen Backsteinen errichteter Bau, der sich gegen das verschnörkelte und reich verzierte "Goerke-Haus" streng, finster und phantasielos darstellt: ein recht unglückliches Treffen von Gestern und Heute.
Oberhalb dieser beiden kontrastierenden Bauten stehen in recht trauriger Aufmachung mit abgeblätterter Farbe und vielen Roststellen die drei stillgelegten Wassertanks auf dem Diamantberg, in denen bis in die späten sechziger Jahre hinein das aus Salzwasser kondensierte Süßwasser des E-Werks zur Verteilung in der Stadt zwischengelagert wurde.
Auf der Westseite des Diamantberges trutzt die Felsenkirche (erbaut 1912) mit ihren kostbaren vom Kaiser und dem Herzogregenten von Braunschweig gestifteten Altarfenstern dem unablässigen Ansturm des Südwestwindes und bleibt eine beliebte Touristenattraktion.
Auf dem Weg hinaus zu den nordöstlich gelegenen Wohngebieten Nautilus und Benguela fällt die neue Teerstraße, der Industrieweg, angenehm auf, die zu den Fischfabriken am Nautilushügel führt. Erfreulich war, dass die Unmengen von Plastiksäcken, die früher einmal diese Stadtteile verdreckten, entfernt worden oder zumindest nicht mehr auffällig sind.
Hier am Fuße des Nautilushügels markiert ein Gedenkstein die Stelle, an der 1884 die ersten festen Gebäude in Lüderitz, die Niederlassung der Faktorei des Bremer Kaufmanns Franz Adolf Ernst Lüderitz, unter der Aufsicht seines Handelsbevollmächtigten Heinrich Vogelsang, errichtet worden waren.
Auf dem Weg hinaus zu den nordöstlich gelegenen Wohngebieten Nautilus und Benguela fällt die neue Teerstraße, der Industrieweg, angenehm auf, die zu den Fischfabriken am Nautilushügel führt. Erfreulich war, dass die Unmengen von Plastiksäcken, die früher einmal diese Stadtteile verdreckten, entfernt worden oder zumindest nicht mehr auffällig sind.
Hier am Fuße des Nautilushügels markiert ein Gedenkstein die Stelle, an der 1884 die ersten festen Gebäude in Lüderitz, die Niederlassung der Faktorei des Bremer Kaufmanns Franz Adolf Ernst Lüderitz, unter der Aufsicht seines Handelsbevollmächtigten Heinrich Vogelsang, errichtet worden waren.
Auf dem Weg zum Achatstrand passiert man eine relativ neue Wohnsiedlung, "Agate Park", die recht kahl und exponiert den Naturgewalten preisgegeben ist. Unweit davon entsteht eine neue Kläranlage, die in Zusammenarbeit mit einem Institut aus Halle an der Saale und mit dem Geld des Eurpoäischen Entwicklungsfonds gebaut wird. In den Grünanlagen unterhalb der Klärbecken, tummelt sich zur Zeit kein Wild. Die Gemsböcke, Springböcke und Strauße, die normalerweise dort Nahrung und Wasser finden, haben sicher in den Weidegründen am Fuß der Dünen nördlich und östlich des Stadtgebietes genug Futter und auch Wasser in Teichen und Tümpeln, die noch nicht ausgetrocknet sind.
Die Teerstraßen, die es neuerdings in Nautilus und Benguela gibt, haben diesen Wohngebieten ein neues Aus- und Ansehen gegeben. Wo früher der Wind ungehindert den Sand durch die Straßen gepeitscht hat, gibt die Teerstraße diesen von Armut gezeichneten Siedlungen, eine neue Würde. Wo in den 1980er Jahren einmal "Franzl's Restaurant" zu den landesweit bekannten, üppigen und sehr schmackhaften Gerichten einlud, hat sich heute "Simons Pub" etabliert. Entlang der Teerstraße in Benguela locken die Shebeens mit greller Werbung und phantasiereichen Namen, wie zum Beispiel die "Try Me"- Bar.
Die "Compounds", die 1967 in Erwartung großer Fischereientwicklungen gebaut wurden und dann jedoch wegen politischer Schiebereien nicht realisiert wurden, stehen leer, verlassen und verdreckt. Oberhalb und rechts von diesen, heute anachronistisch anmutenden Gebäuden sind die improvisierten Wellblechhütten der wilden Siedler. Das so genannte "Sandhotel" klebt an dem sandigen und vom Südweststurm umtobten Hang. Einen guten Teil dieser Siedlerfamilien hat man inzwischen in eine mit sanitären Anlagen und Strom versehene Wellblechsiedlung in einer Senke umgesiedelt - zeitweilig, wie es offiziell heißt.
Diesem Ort des geordneten Wohnens hat man den lapidaren Namen "Area 7" gegeben, sicherlich um auch damit das Zeitweilige dieses Wohnorts zu betonen. Der neue Wohnteil zieht sich bis zu dem damaligen Golfplatz hin, auf dem man früher, von mit Altöl behandelten Sandkasten-"Greens" die kleinen weißen Bälle in die Gegend schlug, und der infolge dieser Invasion der Neusiedler, an die Radford Bay, in unmittelbare Nachbarschaft der Austernfarm vergelegt worden ist. Der frühere Golfklub heißt heute "Zone 7 Bar". In der Radfordbay wohnte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Robert Radford, der erste weiße Siedler in der Angra Pequena, wie die Bucht damals hieß. Er war erst Frachtfahrer und später Angestellter der Firma Spence & Co und verdiente sich mit Robbenfellen und Pinguineiern seinen Unterhalt.
Verlassen habe ich die Stadt am grünen Meer mit gemischten Gefühlen. Nach vier Jahren Abwesenheit konnte ich mich freuen an dem Fortschritt, der Lüderitzbucht mit neuer Zuversicht und einer neuen Zukunft erfüllt. Die imposanten, neuen Hafenanlagen, der schon recht weit fortgeschrittene Eisenbahnbau, die relativ sauberen Straßen, die moderne Waterfront, die geduldig auf Touristen und Besucher wartet, die vielen und guten Unterkunftsmöglichkeiten, welche die Stadt dem Reisenden bietet, der Erhalt der historischen Gebäude und Gedenkstätten, die sichtbare Verbesserung der Wohnverhältnisse der ärmeren Stadtbewohner und schließlich der relativ saubere Eindruck von Stadt und Umgebung, dies alles kann sehr positiv stimmen.
Traurig stimmt hingegen, dass die Gefahr des Verfalls großer Teile der Stadt noch längst nicht gebannt ist. Dafür zeigt sich vornehmlich an vielen der Amtsstellen, in denen Regierungsabteilungen untergebracht sind, und selbst an dem Büro der SWAPO in der Lessingstraße zu deutlich, wie wenig unseren regierenden Mitbürgern an Wartung und Erhalt von Bausubstanzen und Einrichtungen liegt - ein Phänomen übrigens, das landesweit zu bemerken ist. Und traurig ist sicherlich auch, dass bei der Einwohnerschaft der Stadt, die zu großen Teilen aus Saisonarbeitern, Arbeitssuchenden und Abenteurern besteht, irgendwo der Zusammenhalt zu fehlen scheint, der für den zukünftigen Erhalt des Charakters und die Gestaltung der Stadt eigentlich unerlässlich ist.
Doch Lüderitzbucht ist immer eine Reise wert. Wer Lüderitzbucht noch nicht erlebt hat, mit seiner bewegten, so wechselhaften Vergangenheit, die aus den historischen Bauten spricht, mit all den Reizen, die die Halbinsel dem interessierten Besucher bietet, wie die wenigen Überreste und das Blockhaus von der 1912 von einem deutschen Konsortium errichteten und von Norwegern betriebenen Wahlfangstation. Sturmvogelbucht, die Eberlanzhöhle, das Fjord, Halifax, die Große Bucht, die reichhaltige Wüstenflora, die Diazspitze, wo bei ordentlichem Sturm, die Wellen bis oben auf den Fels hinauf brechen, die verschämt versteckten, kleinen Buchten, die Schutz bieten vor dem pfeifenden Südweststurm, gegen den man sich anstemmen muss, wenn man voran kommen will. Der Ostwind, der vom Inland her über die Wüste heult und die Stadt in Sand und Staub hüllt.Die vielen schönen Tage, an dem sich Meer und Sonne die Hand reichen und nur von einer leichten Brise gestreichelt werden, das Meer und seinen vielfältigen Lebensformen, der Achatstrand, die der Bucht vorgelagerten Haifisch-, Pinguin- und Seehundinseln. Die Möwen, der Hafen mit seinen Booten und Schiffen, sowie das bunte Menschengemisch, das wie ein Querschnitt durch die namibische Gesellschaft scheint - wer all das nicht kennt, der kennt einen sehr wesentlichen Teil der Geschichte Namibias noch nicht, und dem ist ein ganz besonderes, einmalig namibisches Erlebnis bisher vorenthalten geblieben.
Klaus J. Becker, Januar 2007
Die Struktur der riesigen Halle besteht aus Stahlträgern, die damals in Deutschland vorgefertigt und 1911 in Lüderitzbucht zusammengebaut wurden. Mit Turbinen wurde in diesen Hallen Strom für Lüderitzbucht, Kolmannskuppe und die südlichen Diamantfelder erzeugt und mit Kondensatoren Süßwasser für den Stadtbedarf produziert. Zu den großen Desastern der Vergangenheit Lüderitzbuchts gehören der Großbrand im E-Werk 1948 und die Kesselexplosion 1965, nach der die Lüderitzbuchter wochenlang mittels Tankwagen mit Süßwasserrationen versorgt werden mussten. Heute ist das E-Werk im Stadtbild von Lüderitzbucht ein absoluter Schandfleck. Aber es kommt noch schlimmer. Am E-Werk vorbei führt die Diazstraße zu dem Gebäudekomplex der stillgelegten "Luries" Langustenfabrik, die lediglich durch die Straße von dem Ufer des Meeres getrennt wird. Das Gebäude ist nur noch Ruine, es fehlen sogar Dächer und ganze Wände. Die Fabrik, die noch in den 1950er Jahren gekochte Langustenschwänze in Dosen herstellte und nach Amerika exportierte, bietet heute einen absolut jämmerlicher Anblick und müsste dringend abgerissen werden.
Am Ende der Diazstraße erwartet den Besucher der Badestrand und das relativ neue mehrstöckige "Nest Hotel". Genau auf dem Platz, auf dem heute ein modernes Hotel direkt am Meer in die Höhe ragt, stand damals das "Strandcafé". Vis-a-vis dem kleinen Strand, an dem die Wellen sich brechen, gab es vor 55 Jahren ein Sammelsurium von bunt angestrichenen, hölzernen Badehäuschen - alle im Privatbesitz, die an Wochenenden von sonnenbadenden und sich in der Brandung tollenden Besitzern und Gästen frequentiert wurden. Vor den Buden tummelte sich die Jugend wohlig im sonnenerwärmten Sand, die Mädchen in keuschen Badeanzügen, die Jungen in bunten "Speedos". Die Brücke, die am Badestrand ins Meer ragt und damals mit zwei federnden Sprungbrettern zum sportlichen Eintauchen in die ungezähmten und eiskalten Gewässer des Atlantiks einlud, ist heute baufällig und gesperrt.
Von der Diazstraße kommt man in die Nachtigallstraße, deren prominentestes Geschäft einst die "Bäckerei Celbrodt" war. Heute bietet dort "Cymot" seine Waren an. Gegenüber liegt der "Kratzplatz", der als Frühstückspension zur Übernachtung einlädt und mit einer auffälligen dunkelroten Farbe die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich zieht. Die Farbe zieht sich um die Ecke bis in die Bergstraße, wo in dem Gebäude (erbaut 1911), in dem ganz früher eine Handelsfirma und später eine religiöse Sekte untergerbracht waren, das Wirtshaus "Barrels" entstanden ist. Daran reihen sich in der Bergstraße, in Richtung Felsenkirche, verschiedene, in leuchtenden Farben gestrichene Fassaden: das "Friedrich-Eberlanz-Haus", einstmals eine Sattlerei, erstrahlt in grellem Gelb, neben dem einstöckigen, blau getünchten Wohnhaus (erbaut 1910) an der Ecke der Uferstraße.
Das "Kreplinhaus" (Baujahr 1909) schaut würdig auf die Bergstraße hinab. In diesem Haus wohnte einst der erste, sehr angesehene und langjährige Bürgermeister von Lüderitzbucht (1909 bis 1920), der es durch die Diamantenfunde bei Lüderitzbucht zu beträchtlichem Vermögen gebracht hatte, das er in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wieder verlor. Er siedelte später nach Omaruru um und nahm sich 1932 tragischerweise in Swakopmund das Leben, "aus wirtschaftlicher Bedrängnis", wie es ein Zeitungsbericht damals ausdrückte. Von dem "Kreplinhaus" führt der Weg schließlich zu einem der ältesten Geschäfte in Lüderitzbucht, zu "Krabbenhöft & Lampe" (erbaut 1909) am südlichen Ende der Bismarkstraße. Krabbenhoeft, der das Handelsgeschäft schon 1880 in Keetmanshoop begonnen hatte, nahm 1906 Herrn Oskar Lampe als Partner mit in die Firma auf. 1909 wurde die Lüderitzbuchter Niederlassung Hauptgeschäftsstelle (es gab außer dem Geschäft in Keetmanshoop auch noch eine Niederlassung in Hendrik Witboois Gebiet, in Gibeon). Die Fassade lässt sich mit ihrem adretten, beige und braunen Anstrich die lange, fast 100-jährige Geschichte, nicht anmerken. Die Geschäftsräume dahinter, in denen heute Möbel verkauft werden, sind von einer langen, wechselhaften Geschichte gezeichnet. Die frühere Wohnung des Kaufmanns Lampe im ersten und zweiten Stock empfiehlt sich als Ferienunterkunft.Oberhalb von "Krabbenhoeft & Lampe" liegt an den Diamantberg gedrückt das bekannte "Goerke-Haus" (erbaut 1909/10). Früher auch mal als das Blaue Haus bekannt, diente es viele Jahre dem Magistrat Lüderitzbuchts als Wohnung. Das Blaue Haus ist inzwischen weiß und beige gestrichen, sorgfältig restauriert und kann zu gewissen Zeiten auch von innen besichtigt werden. Mit seinen Erkern, Verzierungen, der Sonnenuhr auf der Nordseite, den Mansarden, holzgeschnitzten Balkons und dem Natursteinfundament ist es heute noch anschaulicher Beweis für Handwerkskunst und - geschick und phantasievolle Gestaltung, die sich gegen das schroffe, verwitterte Gestein des Diamantberges in ewigem ungelösten Kontrast abhebt. Hundert Schritte weiter, auch im Windschatten des Diamantberges, entsteht zur Zeit ein neues, ebenfalls sehr geräumiges, einstöckiges Wohnhaus, ein als eckiger Block mit dunklen Backsteinen errichteter Bau, der sich gegen das verschnörkelte und reich verzierte "Goerke-Haus" streng, finster und phantasielos darstellt: ein recht unglückliches Treffen von Gestern und Heute.
Oberhalb dieser beiden kontrastierenden Bauten stehen in recht trauriger Aufmachung mit abgeblätterter Farbe und vielen Roststellen die drei stillgelegten Wassertanks auf dem Diamantberg, in denen bis in die späten sechziger Jahre hinein das aus Salzwasser kondensierte Süßwasser des E-Werks zur Verteilung in der Stadt zwischengelagert wurde.
Auf der Westseite des Diamantberges trutzt die Felsenkirche (erbaut 1912) mit ihren kostbaren vom Kaiser und dem Herzogregenten von Braunschweig gestifteten Altarfenstern dem unablässigen Ansturm des Südwestwindes und bleibt eine beliebte Touristenattraktion.
Auf dem Weg hinaus zu den nordöstlich gelegenen Wohngebieten Nautilus und Benguela fällt die neue Teerstraße, der Industrieweg, angenehm auf, die zu den Fischfabriken am Nautilushügel führt. Erfreulich war, dass die Unmengen von Plastiksäcken, die früher einmal diese Stadtteile verdreckten, entfernt worden oder zumindest nicht mehr auffällig sind.
Hier am Fuße des Nautilushügels markiert ein Gedenkstein die Stelle, an der 1884 die ersten festen Gebäude in Lüderitz, die Niederlassung der Faktorei des Bremer Kaufmanns Franz Adolf Ernst Lüderitz, unter der Aufsicht seines Handelsbevollmächtigten Heinrich Vogelsang, errichtet worden waren.
Auf dem Weg hinaus zu den nordöstlich gelegenen Wohngebieten Nautilus und Benguela fällt die neue Teerstraße, der Industrieweg, angenehm auf, die zu den Fischfabriken am Nautilushügel führt. Erfreulich war, dass die Unmengen von Plastiksäcken, die früher einmal diese Stadtteile verdreckten, entfernt worden oder zumindest nicht mehr auffällig sind.
Hier am Fuße des Nautilushügels markiert ein Gedenkstein die Stelle, an der 1884 die ersten festen Gebäude in Lüderitz, die Niederlassung der Faktorei des Bremer Kaufmanns Franz Adolf Ernst Lüderitz, unter der Aufsicht seines Handelsbevollmächtigten Heinrich Vogelsang, errichtet worden waren.
Auf dem Weg zum Achatstrand passiert man eine relativ neue Wohnsiedlung, "Agate Park", die recht kahl und exponiert den Naturgewalten preisgegeben ist. Unweit davon entsteht eine neue Kläranlage, die in Zusammenarbeit mit einem Institut aus Halle an der Saale und mit dem Geld des Eurpoäischen Entwicklungsfonds gebaut wird. In den Grünanlagen unterhalb der Klärbecken, tummelt sich zur Zeit kein Wild. Die Gemsböcke, Springböcke und Strauße, die normalerweise dort Nahrung und Wasser finden, haben sicher in den Weidegründen am Fuß der Dünen nördlich und östlich des Stadtgebietes genug Futter und auch Wasser in Teichen und Tümpeln, die noch nicht ausgetrocknet sind.
Die Teerstraßen, die es neuerdings in Nautilus und Benguela gibt, haben diesen Wohngebieten ein neues Aus- und Ansehen gegeben. Wo früher der Wind ungehindert den Sand durch die Straßen gepeitscht hat, gibt die Teerstraße diesen von Armut gezeichneten Siedlungen, eine neue Würde. Wo in den 1980er Jahren einmal "Franzl's Restaurant" zu den landesweit bekannten, üppigen und sehr schmackhaften Gerichten einlud, hat sich heute "Simons Pub" etabliert. Entlang der Teerstraße in Benguela locken die Shebeens mit greller Werbung und phantasiereichen Namen, wie zum Beispiel die "Try Me"- Bar.
Die "Compounds", die 1967 in Erwartung großer Fischereientwicklungen gebaut wurden und dann jedoch wegen politischer Schiebereien nicht realisiert wurden, stehen leer, verlassen und verdreckt. Oberhalb und rechts von diesen, heute anachronistisch anmutenden Gebäuden sind die improvisierten Wellblechhütten der wilden Siedler. Das so genannte "Sandhotel" klebt an dem sandigen und vom Südweststurm umtobten Hang. Einen guten Teil dieser Siedlerfamilien hat man inzwischen in eine mit sanitären Anlagen und Strom versehene Wellblechsiedlung in einer Senke umgesiedelt - zeitweilig, wie es offiziell heißt.
Diesem Ort des geordneten Wohnens hat man den lapidaren Namen "Area 7" gegeben, sicherlich um auch damit das Zeitweilige dieses Wohnorts zu betonen. Der neue Wohnteil zieht sich bis zu dem damaligen Golfplatz hin, auf dem man früher, von mit Altöl behandelten Sandkasten-"Greens" die kleinen weißen Bälle in die Gegend schlug, und der infolge dieser Invasion der Neusiedler, an die Radford Bay, in unmittelbare Nachbarschaft der Austernfarm vergelegt worden ist. Der frühere Golfklub heißt heute "Zone 7 Bar". In der Radfordbay wohnte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Robert Radford, der erste weiße Siedler in der Angra Pequena, wie die Bucht damals hieß. Er war erst Frachtfahrer und später Angestellter der Firma Spence & Co und verdiente sich mit Robbenfellen und Pinguineiern seinen Unterhalt.
Verlassen habe ich die Stadt am grünen Meer mit gemischten Gefühlen. Nach vier Jahren Abwesenheit konnte ich mich freuen an dem Fortschritt, der Lüderitzbucht mit neuer Zuversicht und einer neuen Zukunft erfüllt. Die imposanten, neuen Hafenanlagen, der schon recht weit fortgeschrittene Eisenbahnbau, die relativ sauberen Straßen, die moderne Waterfront, die geduldig auf Touristen und Besucher wartet, die vielen und guten Unterkunftsmöglichkeiten, welche die Stadt dem Reisenden bietet, der Erhalt der historischen Gebäude und Gedenkstätten, die sichtbare Verbesserung der Wohnverhältnisse der ärmeren Stadtbewohner und schließlich der relativ saubere Eindruck von Stadt und Umgebung, dies alles kann sehr positiv stimmen.
Traurig stimmt hingegen, dass die Gefahr des Verfalls großer Teile der Stadt noch längst nicht gebannt ist. Dafür zeigt sich vornehmlich an vielen der Amtsstellen, in denen Regierungsabteilungen untergebracht sind, und selbst an dem Büro der SWAPO in der Lessingstraße zu deutlich, wie wenig unseren regierenden Mitbürgern an Wartung und Erhalt von Bausubstanzen und Einrichtungen liegt - ein Phänomen übrigens, das landesweit zu bemerken ist. Und traurig ist sicherlich auch, dass bei der Einwohnerschaft der Stadt, die zu großen Teilen aus Saisonarbeitern, Arbeitssuchenden und Abenteurern besteht, irgendwo der Zusammenhalt zu fehlen scheint, der für den zukünftigen Erhalt des Charakters und die Gestaltung der Stadt eigentlich unerlässlich ist.
Doch Lüderitzbucht ist immer eine Reise wert. Wer Lüderitzbucht noch nicht erlebt hat, mit seiner bewegten, so wechselhaften Vergangenheit, die aus den historischen Bauten spricht, mit all den Reizen, die die Halbinsel dem interessierten Besucher bietet, wie die wenigen Überreste und das Blockhaus von der 1912 von einem deutschen Konsortium errichteten und von Norwegern betriebenen Wahlfangstation. Sturmvogelbucht, die Eberlanzhöhle, das Fjord, Halifax, die Große Bucht, die reichhaltige Wüstenflora, die Diazspitze, wo bei ordentlichem Sturm, die Wellen bis oben auf den Fels hinauf brechen, die verschämt versteckten, kleinen Buchten, die Schutz bieten vor dem pfeifenden Südweststurm, gegen den man sich anstemmen muss, wenn man voran kommen will. Der Ostwind, der vom Inland her über die Wüste heult und die Stadt in Sand und Staub hüllt.Die vielen schönen Tage, an dem sich Meer und Sonne die Hand reichen und nur von einer leichten Brise gestreichelt werden, das Meer und seinen vielfältigen Lebensformen, der Achatstrand, die der Bucht vorgelagerten Haifisch-, Pinguin- und Seehundinseln. Die Möwen, der Hafen mit seinen Booten und Schiffen, sowie das bunte Menschengemisch, das wie ein Querschnitt durch die namibische Gesellschaft scheint - wer all das nicht kennt, der kennt einen sehr wesentlichen Teil der Geschichte Namibias noch nicht, und dem ist ein ganz besonderes, einmalig namibisches Erlebnis bisher vorenthalten geblieben.
Klaus J. Becker, Januar 2007
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