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Zwischen gestern und heuteLüderitzbucht mal anders Teil1

Der Kurzbesuch wurde zu einem besonderen Erlebnis der neuen, alten Hafen-,Minen-, Fischerei- und Touristenstadt Lüderitzbucht, mit nostalgischen Blicken zurück in die bewegte Vergangenheit dieses so liebenswerten Ortes, der fernab liegt vom großen Geschehen der Welt, an den unwirtlichen, kalten und windigen Stränden des Südatlantiks, umringt von abweisenden, von der Witterung zerfurchten Felskuppen und gepeitscht von dem dominanten Südwestwind, der das Meer mit weißen Schaumkronen schmückt und ganze Dünen wandern lässt.

Der Willkommensgruß der Stadtverwaltung am Eingang der Stadt ist eine geschickte Ablenkung von der sonst etwas trostlosen Einfahrt nach Lüderitzbucht, wo man zuerst an der rechten Straßenseite den sehr verwehten und etwas verwahrlost scheinenden Friedhof und kurz darauf auf der linken Straßenseite das äußerlich sehr gut in Stand gehaltene Gefängnis passiert, bevor man den Stadtrand erreicht. Dort wird man dann allerdings groß, bunt und deutlich von dem Depot der "Namibia Breweries Ltd." begrüßt.

Der Bayweg, mit dem man in die Stadt gelangt, führt anfangs durch den Burenkamp, in dem vor etwa 100 Jahren um die 10 000 Zugochsen, Pferde, Kamele und Esel versorgt wurden, mit denen Frachten gefahren, Diamanten gesucht, Proviant und Baumaterial geschleppt, Soldaten, Bürger, Abenteurer (aus aller Herren Länder) und Beamte transportiert wurden. Das Wasser für die Tiere wurde hauptsächlich aus Kapstadt per Schiff herangeschafft, später dann mit einem Kondensator, der in der jetzigen Hafenanlage stand, vor Ort produziert. Was muss das für eine Betrieb gewesen sein.

Jetzt erinnert kaum noch etwas an diese abenteuerlichen Zeiten der Kolonialzeit und des Diamantenrausches.
Weiter führt der Bayweg an dem früheren Bezirksamt (erbaut 1906) vorbei, in dessen Räumen Anfang der '80er Jahre die Bürgerinitiative einiger Lüderitzbuchter ins Leben gerufen wurde, die sich vor der Unabhängigkeit Namibias als "Lüderitzbuchter Stiftung" sehr erfolgreich gegen den drohenden Verfall der vergessenen Mutterstadt Namibias wehrte.

Das imposante Gebäude der Stadtverwaltung in der Stadtmitte, in dessen altehrwürdigem Stadtsaal Generationen von Stadträten über das Schicksal des Ortes beraten haben und dies heute hoffentlich immer noch tun, liegt gegenüber dem in dunklem Orange getrichenen "Kapps Konzert & Ball Saal" (erbaut 1909), zwischen Kegelbahn und "Kapps Hotel". Dort wird allerdings nicht mehr getanzt sondern dort kann man jetzt elektrisches Zubehör bei "Coastal Electric Hardware" kaufen. Von der Stadtverwaltung aus führt die Ringstraße in nördlicher Richtung an der Turnhalle (Baujahr 1913) und der Lesehalle (Baujahr 1912) vorbei. Letztere war 1909 als Gedächtnis- und Lesehalle zu Ehren des Stadtgründers Franz Adolf Ernst Lüderitz von einer Bürgerinitiative konzipiert, mit Privatspenden aus Deutschland und Lüderitzbucht finanziert und von dem Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft mit einer mehr als 2 000 Bücher umfassenden Spende ausgestattet worden. Die Turnhalle war bis in die 70er Jahre als Turn- und Festhalle in Gebrauch. Vor den beiden Gemeinschaftshallen steht heutzutage ein Neubau, ein Block von Reihenwohnungen, der den Namen des Bahnarbeiters Zacharias Lewala trägt und damit des Mannes, der im Mai 1908 den ersten Diamanten bei Kolmanskuppe gefunden hatte.


Schon bei der Stadtverwaltung fiel mir die große Anzahl Touristen auf, die in Gruppen von drei bis fünf Personen die Stadt zu besetzen schienen. Wo man den Wagen auch hinlenkte, überall wanderten Touristen. Bevor ich anhalten konnte und einen Einheimischen nach dem Ursprung dieser touristischen Heerscharen befragen konnte, fiel mein Blick auf die Hafeneinfahrt, in der majestätisch und gewaltig ein siebenstöckiges Kreuzschiff vor Reede lag - da ahnte ich, woher die zahllosen europäischen Besucher kamen !

Das Kreuzschiff "Artemis" (Artemis: Tochter des Zeus und Zwillingsschwester des Apoll) lag vor dem Roberthafen verankert und hatte seinen 1200 Passagieren, die von einer Bemannung von 580 Personen betreut wurden, einen Landurlaub ermöglicht. 900 Passagiere hatten von dem Angebot Gebrauch gemacht und sich mit 6 Barkassen, zu 60 Passagieren je, an Land bringen lassen. Ein tüchtiges Touristikunternehmen in der Bismarckstraße hatte aus Windhoek zwei Busse bestellt, und brachte einen Teil der Weltreisenden damit nach Kolmanskop, wo den Besuchern Führungen durch die Geisterstadt aus der abenteuerlichen Diamantenzeit geboten wurden. Das Wetter spielte mit und zeigte die Hafenstadt von ihrer besten Seite.
Vom Bayweg aus biegt man nach Norden in die Hauptstraße der Stadt ein, die immer noch Bismarckstraße heißt, und fährt an dem leidlich erhaltenen und z.Zt. stillgelegten dreistöckigen Bahnhofsgebäude (erbaut 1914) vorbei, in dem unter anderem "Air Namibia" ein recht trüb aussehendes Büro im Parterre unterhält. An den modernen Banken, der historischen "Afrika-Bank" (heute "Nedbank") (erbaut 1907) und dem "Bayview Hotel" vorbei wird der Blick auf den Hafen zunächst von der gelb-blauen Großreklame von "Pupkewitz Megabuild" auf dem "Metje & Ziegler Gebäude" (Baujahr 1907 + 1909) am Nordende der Bismarckstraße abgelenkt. Wer hätte jemals gedacht, dass dieses fast ältetste, einstöckige Gebäude Lüderitzbuchts, ehemals die Wiege des bekannten Handelskonzerns "Metje & Ziegler", heute dem jahrzehntelangen Rivalen gehören würde. Hermann Metje, der als Bauunternehmer aus Kapstadt 1906 in die Hafenstadt kam, diente ab 1909 fünfzehn Jahre im Stadtrat von Lüderitzbucht, und war Mitbegründer der Langusten-Industrie. Die von seiner Firma errichteten Gebäude prägen heute noch das Stadtbild Lüderitzbuchts.

Gegenüber liegen verträumt und unverändert die "Albert Plietz Engineering Works - seit 1909", die um Fahrzeugreparaturarbeiten werben. In den historischen Werkstätten dieses Betriebs wurde vor 97 Jahren um Arbeiten für "Hufbeschlagschmiede, Wagenbauerei und Schlosserei" geworben von dem Schmiedemeister Albert Plietz, dessen Urenkel heute noch in den mit Maschinen und Geräten aus den Anfängen des vorherigen Jahrhunderts bestückten Werks-hallen seinem Reparaturgeschäft nachgeht.

Die Hauptstraße endet in der Hafenstraße direkt gegenüber dem neuen, erst seit ein paar Jahren erbauten Hafeneingang, hinter dem sich die riesigen Scheunen erheben, die der Erzausfuhr der "Scorpion"-Mine dienen, und die von neuen Öltanks in verschiedenen Ausführungen flankiert werden. Verschwunden sind der Zollstrand an dem sich einmal fröhlich Kinder und Badegäste tummelten. Verschwunden ist der Steg der einmal das Festland mit der Haifischinsel verbunden hat. Verschwunden ist auch der alte Jacht-Club, in dem unzählige Feste gefeiert wurden, in dem Gäste und Segler aus aller Welt eingekehrt waren und vor dem Segel- und Motorboote aller Größen und Ausführungen für Jahrzehnte Schutz vor Stürmen und dem unruhigen Meer gefunden haben.

Die neue Hafenanlage im Westen des Roberthafens bedeutet Fortschritt und hat Lüderitzbucht zu einem vollwertigen Hafen befördert, an dessen Kai auch Hochsee- und Containerschiffe anlegen und ihre Ladung löschen oder aufnehmen können. Gegen die imposanten Dimensionen der neuen Hafenstrukturen wirkt im Hintergrund das ehemalige Krankenhaus (Baujahr 1912) auf der Haifischinsel fast unbedeutend, in dem heute das Ministerium für Seefischerei sein Forschungsinstitut untergebracht hat, das mit seiner zweistöckigen Fassade jahrzehntelang das Panorama des westlichen Hafens beherrschte.

Die Gedenkstätte für Adolf Lüderitz und die Gräber am Fuße des Nautilusberges im Osten wurden in den 60er Jahren auf die Haifischinsel verlegt und sind seitdem den Lüderitzbuchtern ein beliebtes, wenn auch windumtostes Wanderziel an Wochenenden gewesen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Haifischinsel als Gefangenenlager berüchtigt, da dort Hunderte von Gefangenen in dem ungewohnten, nasskalten und stürmischen Klima erkrankten und gestorben sind.

Der alte Zugang zum Hafengelände an dem Eisenbahngleis in der Hafenstraße besteht noch, allerdings streng von Sicherheitspersonal bewacht. Auf dem Hafengelände, vor der alten Betonjetty mit den zwei Hafenkränen, ist ein gewaltiger Fahrzeugschuppen entstanden, der erfreulicherweise in ähnlichem Stil wie das gegenüberliegende "Carl Bödicker Haus" (Baujahr 1912) errichtet worden ist. An den Jetties liegen die Langustenkutter der verschiedenen Fischereiunternehmen, die Decks voll beladen mit Fangreusen. Sie haben ihre Fangquote in den Gewässern südlich von Lüderitz schon eingeholt und erwarten das neue Jahr, in dem sie die Fänge in dem nördlichen Fanggebiet fortsetzen können. Ich werde die Erinnerung an die 1950er Jahre nicht los, in denen zu Weihnachten und Neujahr kein Kutter an der Jetty zu sehen war, weil sie alle Langusten in Hülle und Fülle einholten, um die sechs Langustenfabriken in Lüderitz mit Produkt zu versorgen. Damals war die Fangquote jährlich 4 000 Tonnen. Heute liegt die Quote bei 400 Tonnen im Jahr.

An der Betonjetty wird gerade Treibstoff getankt. Der Tankwart informiert mich, dass er schon seit 1974 dieser Aufgabe nachgeht. Damals hat er pro Monat 200 000 Liter Diesel verkauft, heute seien es 5 Millionen. Die Weißfischtrawler "Omuhuka"und "Ohamba" dümpeln am Kai. Gegenüber sind die blauen Schlepper "Ondanga" und "Pelican" und das Forschungsschiff "Anichab" festgezurrt.

Klaus J. Becker, im Januar 2007

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-01

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