Das uneinige Königreich
Wie geht es weiter für Schottland und Co.?
2023 hätte für Schottland ein wegweisendes Jahr werden sollen – doch die Unabhängigkeitsbefürworter haben einen Rückschlag erlitten. Aufgeben wollen sie aber nicht. Im Schatten der Schotten nimmt auch in anderen Landesteilen die Spaltung Formen an.
Von Benedikt von Imhoff, dpa
London
Der Spruch der obersten britischen Richter ist eindeutig: Ohne Zustimmung aus London bleibt Schottland ein Teil des Vereinigten Königreichs. Diese Zustimmung gibt es nicht, Fall erledigt. Fall erledigt? Weit gefehlt. Die Unabhängigkeitsbefürworter im nördlichsten britischen Landesteil rechnen sich noch immer Chancen aus – und haben dafür Gründe. Sie sind nicht alleine: In Nordirland und selbst in Wales wird die Frage einer Abspaltung immer offener diskutiert. Einer der Gründe ist überall gleich: der Brexit. Längst ist das Vereinigte Königreich uneins.
SCHOTTLAND: Das Oberste Gericht hat entschieden, dass das Regionalparlament ohne Zustimmung aus London kein Unabhängigkeitsreferendum ansetzen darf. Der Plan der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon für eine Volksabstimmung im Oktober 2023 ist also dahin. Doch die Befürworter einer Unabhängigkeit lassen nicht locker. Sturgeons Schottische Nationalpartei (SNP) verweist darauf, dass sich in allen Umfragen seit dem Urteil des Supreme Court eine Mehrheit für die Loslösung ausgesprochen hat. Im Regionalparlament dominieren bereits SNP und Grüne, die ebenfalls ein unabhängiges Schottland zurück in die EU führen wollen.
WALES: Seit 100 Jahren wird der Landesteil von der Labour-Partei regiert – und die ist eindeutig für die Union. Dennoch nehmen im Schatten der Schotten die Unabhängigkeitstendenzen in Wales zu. Die SNP-Schwesterpartei Plaid Cymru ist Regierungspartnerin von Labour und hat eine „unabhängige Kommission für die konstitutionelle Zukunft von Wales“ durchgesetzt. Deren Ergebnis: eine Unabhängigkeit sei eine von drei „praktikablen“ Lösungen – anders als der Status quo.
NORDIRLAND: Die Lage in der früheren Bürgerkriegsprovinz ist explosiv. Vor gut 100 Jahren als Bastion protestantischer Anhänger der Union mit Großbritannien gegründet, leben mittlerweile mehr Katholiken in Nordirland. Sie sind traditionell für eine Vereinigung mit dem EU-Staat Irland. Diese Entwicklung macht es wahrscheinlich, dass es in den nächsten Jahren tatsächlich ein Referendum geben wird. Hört man sich in der irischen Hauptstadt Dublin um, scheint die Frage nur zu sein, wann es zum Zusammenschluss kommt. Der jüngsten Umfrage zufolge würden zwei Drittel der Iren dafür stimmen.
ENGLAND: Der mit Abstand größte Landesteil ist der einzige, der keine eigene Regierung hat und kein eigenes Parlament. Stattdessen entscheiden die Zentralregierung und das britische Parlament gleich mit. Das stört bisher kaum jemanden. Kein Wunder, ätzen Kritiker – schließlich sei England der große Rückhalt der Konservativen Partei, die seit Jahrzehnten in Wales und Schottland kein Bein mehr auf den Boden bekommt und im Sonderfall Nordirland ohnehin nicht zur Wahl steht. Die Tories würden deshalb zunehmend eine nationalistisch-englische Politik betreiben, die vor allem ihren Wählern gefalle. Die Gefahr dabei: Wenn die Tendenz andauert, könnte aus Großbritannien in einigen Jahren ein Kleinengland werden.
Von Benedikt von Imhoff, dpa
London
Der Spruch der obersten britischen Richter ist eindeutig: Ohne Zustimmung aus London bleibt Schottland ein Teil des Vereinigten Königreichs. Diese Zustimmung gibt es nicht, Fall erledigt. Fall erledigt? Weit gefehlt. Die Unabhängigkeitsbefürworter im nördlichsten britischen Landesteil rechnen sich noch immer Chancen aus – und haben dafür Gründe. Sie sind nicht alleine: In Nordirland und selbst in Wales wird die Frage einer Abspaltung immer offener diskutiert. Einer der Gründe ist überall gleich: der Brexit. Längst ist das Vereinigte Königreich uneins.
SCHOTTLAND: Das Oberste Gericht hat entschieden, dass das Regionalparlament ohne Zustimmung aus London kein Unabhängigkeitsreferendum ansetzen darf. Der Plan der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon für eine Volksabstimmung im Oktober 2023 ist also dahin. Doch die Befürworter einer Unabhängigkeit lassen nicht locker. Sturgeons Schottische Nationalpartei (SNP) verweist darauf, dass sich in allen Umfragen seit dem Urteil des Supreme Court eine Mehrheit für die Loslösung ausgesprochen hat. Im Regionalparlament dominieren bereits SNP und Grüne, die ebenfalls ein unabhängiges Schottland zurück in die EU führen wollen.
WALES: Seit 100 Jahren wird der Landesteil von der Labour-Partei regiert – und die ist eindeutig für die Union. Dennoch nehmen im Schatten der Schotten die Unabhängigkeitstendenzen in Wales zu. Die SNP-Schwesterpartei Plaid Cymru ist Regierungspartnerin von Labour und hat eine „unabhängige Kommission für die konstitutionelle Zukunft von Wales“ durchgesetzt. Deren Ergebnis: eine Unabhängigkeit sei eine von drei „praktikablen“ Lösungen – anders als der Status quo.
NORDIRLAND: Die Lage in der früheren Bürgerkriegsprovinz ist explosiv. Vor gut 100 Jahren als Bastion protestantischer Anhänger der Union mit Großbritannien gegründet, leben mittlerweile mehr Katholiken in Nordirland. Sie sind traditionell für eine Vereinigung mit dem EU-Staat Irland. Diese Entwicklung macht es wahrscheinlich, dass es in den nächsten Jahren tatsächlich ein Referendum geben wird. Hört man sich in der irischen Hauptstadt Dublin um, scheint die Frage nur zu sein, wann es zum Zusammenschluss kommt. Der jüngsten Umfrage zufolge würden zwei Drittel der Iren dafür stimmen.
ENGLAND: Der mit Abstand größte Landesteil ist der einzige, der keine eigene Regierung hat und kein eigenes Parlament. Stattdessen entscheiden die Zentralregierung und das britische Parlament gleich mit. Das stört bisher kaum jemanden. Kein Wunder, ätzen Kritiker – schließlich sei England der große Rückhalt der Konservativen Partei, die seit Jahrzehnten in Wales und Schottland kein Bein mehr auf den Boden bekommt und im Sonderfall Nordirland ohnehin nicht zur Wahl steht. Die Tories würden deshalb zunehmend eine nationalistisch-englische Politik betreiben, die vor allem ihren Wählern gefalle. Die Gefahr dabei: Wenn die Tendenz andauert, könnte aus Großbritannien in einigen Jahren ein Kleinengland werden.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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