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Auf dieser Karte sind nicht nur die 14 Regionen Namibias eingetragen, sondern auch die hauptsächlichen Niederlassungsgebiete der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Karte: worldmaps.info
Auf dieser Karte sind nicht nur die 14 Regionen Namibias eingetragen, sondern auch die hauptsächlichen Niederlassungsgebiete der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Karte: worldmaps.info

Der NDR weiß es am besten

Genozid: Deutsches Fernsehen erörtert Glaubens- und Gewissensfragen
Während Namibia noch um seinen Präsidenten trauert, spekuliert der Norddeutsche Rundfunksender NDR über eine Neuaufnahme der Genozid-Verhandlungen, als ob eine solche Verhandlungsaufnahme allein am verstorbenen Präsidenten Hage Geingob gescheitert wäre. Indessen versucht der Sender eine breitere namibische Stimme zu Wort kommen zu lassen.
Frank Steffen
Von Frank Steffen, Windhoek

Verblüffend ist die vereinfachte Darstellung des NDRs in einem Podcast des norddeutschen Rundfunks (NDR), der die Herero und Nama hauptsächlich im „Süden“ Namibias vermutet und diese beiden Bevölkerungsgruppen stark von den nördlichen Einwohnern differenziert (es erinnert ein wenig an das Selbstverständnis der südafrikanischen Regierung vor der Unabhängigkeit Namibias). Als angeblich unabhängiger Berichterstatter scheint sich der NDR in Anlehnung an Glaubens- und Gewissensfragen mit Vermutungen und gehegten Hoffnungen auf die politische Bühne drängen zu wollen – und zwar knapp eine Woche bevor Namibias verstorbener Präsident, Hage Geingob, zu Grabe getragen werden soll.

Wiederholt hatten politische Beobachter in der vergangenen Woche mit Freude sowie Erstaunen festgestellt, dass der Tod des Präsidenten das namibische Volk weitgehend zu einen scheint. Derweil sich das namibische Volk nun auf die Begräbnisfeiern am kommenden Wochenende vorbereitet – es ist das erste Mal, dass ein namibischer Präsident während seiner Regierungszeit gestorben ist –, so berichtet der NDR in einer Genozid-Betrachtung in einem Podcast der Vorwoche: „Nach dem Tod des namibischen Präsidenten, Hage Geingob, Anfang Februar dieses Jahres (knapp 14 Tage vor dem Podcast, Anm. d. Red.), äußern nun viele die Hoffnung, dass es vielleicht neue Verhandlungen geben könnte, die dann seitens der Bundesrepublik direkt auch mit den Vertretern und Vertreterinnen der Herero und Nama geführt werden.“

Schießbefehl war Auslöser

Eröffnet wird der Podcast mit deutscher Marschmusik und der Verlesung des Schießbefehls, den der deutsche Kommandeur, Generalleutnant Lothar von Trotha, am 2. Oktober 1904 erteilt hatte: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“ Hatten Historiker bisher allein den Vorsatz von Trothas als Völkermord erkannt, so dürfte die deutsche Regierung erstmals den Genozid amtlich anerkennen, wenn die im Mai 2021 angekündigte Absichtserklärung zwischen Namibia und Deutschland auch als Abkommen ratifiziert würde.

Laut dem Podcast starben 50 000 Herero und 10 000 Nama infolge der Niederschlagung des Aufstandes der beiden namibischen Bevölkerungsgruppen. Die Missionare der Rheinischen Mission hätten diesem Geschehen ohnmächtig gegenübergestanden. Missionar August Kuhlmann hätte die Abwanderung der Herero nach der Schlacht am Waterberg ins Sandveld beschrieben, wo ein Kugelhagel auf die kriegsmüden Herero gewartet hätte. Es ist die Rede von „Knäuel toter Tiere und Menschen“ am anderen freien Wasser, wo sich alles Lebende auf das wenige Wasser gestürzt habe.

Missionare ebnen den Boden

Den Missionaren wird indessen der Vorwurf gemacht, dass sie in dem seit 1884 als Schutzgebiet erklärten Land, gewissermaßen den Boden für die deutsche Kolonialregierung geebnet hätten – dies sei die logische Folge einer Missionsarbeit gewesen, die zu jener Zeit bereits seit 40 Jahren andauerte. Der Rostocker Historiker, Jonas Kreienbaum, aber vor allem auch der deutschnamibische Politikwissenschaftler, Entwicklungssoziologe und Afrikawissenschaftler, Henning Melber von der Dag-Hammarskjöld-Stiftung, kommen zu Wort und gehen auf die ambivalente Situation der Missionare ein.

Ferner werden die an das englische System angelehnte Form der Konzentrationslager beschrieben; dieser „vorprogrammierte Mord“ habe laut August Kuhlmann 8 000 von insgesamt 17 000 Gefangenen das Leben gekostet – entweder durch Durst und Krankheiten, aber auch infolge von Misshandlung.

Einbringung der Betroffenen fehlt

Hatten Namibia und Deutschland sich in der Absichtserklärung bisher auf die Zahlung von 1,1 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe über 30 Jahre hinweg geeinigt, so weist die namibische Schriftstellerin sowie Mitglied der Deutsch-Evangelisch-Lutherischen Kirche (DELK), Erika von Wietersheim, auf das wesentliche Manko, dass die Herero und Nama nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt gewesen seien.

Sagt Melber: „Das ist der eigentliche Knackpunkt!“ Es liege den beiden Bevölkerungsgruppen daran, den Genozid nicht nur aus damaliger politischer Sicht, sondern im Präsens voll und ganz anerkannt zu bekommen. Damit würde der Anspruch auf Wiedergutmachung erhalten bleiben, so Melber. Deutschland verfolge die Absicht, irgendeine Form der Reparation zu vermeiden. Eine Anerkennung der Kolonialverbrechen würde indessen nicht nur Folgen für weitere ehemalige deutsche Kolonien haben, sondern auch für die restlichen früheren Kolonialmächte, so Melber.

Von Wietersheim glaubt weiter: „Insofern hat das Abkommen das Land gespalten, aber auch innerhalb der Herero und Nama gibt es enorme Querelen.“ Es sei „nicht alles gut hier in Namibia“, was das Abkommen betreffe.

Kirchen im Norden und Süden

Der NDR scheint es sich indessen ein wenig einfach gemacht zu haben, indem er die drei bestehenden lutherischen Kirchen in zwei Regionen einreiht. Die 14 namibischen Regionen werden in Norden und Süden verteilt – 90% der Einwohner seien christlich. Die finnisch-beeinflusste Mission ELCIN verzeichne eine Mitgliedschaft von etwa 800 000 Menschen im „Norden“, die rheinische Mission ELCRN verzeichne 400 000 im „Süden“ – worunter die Herero und Nama –, und DELK berichte von 4 000 Mitgliedern.

Dass sich die ELCIN hauptsächlich in den enger bevölkerten zentralen Teilen des Norden sowie dem Nordosten zwischen den Breitengraden 18° Süd bis 20° Süd entwickelt hatten (im Podcast einfach als „Norden“ beschrieben), während sich die ELCRN hauptsächlich in den Gegenden der Breitengrade 20° Süd bis 29° Süd ausgebreitet hatte (dieser „Süden“ erstreckte sich demnach über neun Grade hinweg), scheint dem NDR als Kontext weniger wichtig. Zumal diese einfache Einteilung heute weniger zutrifft.

Diskussion nur kontrovers

Der Bischof der DELK, Burgert Brand, erkennt meist emotionsgeladene Diskussionen, die er als „nur kontrovers“ einschätzt. Es gebe Parteien, die versuchten, so viel wie möglich herauszuschinden, während sich andere hinter dem langen Verlauf der Zeit verschanzten. Das Thema polarisiere die namibische Gesellschaft.

Laut Melber erkennt die DELK in der politischen Absichtserklärung eine Lösung, doch sei dies ein „Trugschluss“, da die große Verärgerung und Enttäuschung der Herero und Nama unterschätzt werde. Brand glaubt dagegen, dass die lokalen Deutschsprachigen allzu schnell in eine Ecke der Anti-Genozid-Gesinnung, des Rassismus oder pro-Kolonialismus gestellt würden, sobald sie es wagen, einen Einspruch oder Einwand verlauten zu lassen. Dabei gebe es eine Menge guten Willen.

Melber erfasst die Tragik der Geschichte, dass die Versöhnungsgespräche hinsichtlich des Genozids in der Tat die interne Versöhnung in Namibia selbst, „untergraben“ und den Konflikt nährten. Nicht nur unter Herero, Nama oder weißen Einwohnern, sondern auch unter den Herero und Nama selbst sowie der betroffenen Gruppen gegenüber der „namibischen Regierung, die wahrgenommen wird als eine Vertretung hauptsächlich der Bevölkerungsgruppen aus dem Norden des Landes“.

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