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Ein möglicher „New Deal“ zwischen Afrika und Europa

Chancen der Zusammenarbeit und die Notwendigkeit einer neuen Perspektive
Lange hatte man auf dem afrikanischen Kontinent das Gefühl, Europa sei, verglichen mit anderen Weltmächten, eher geringfügig an einer Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern interessiert. Das Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Afrikanischen Union (AU) lässt aber Hoffnung aufkommen, dass sich das nun ändern könnte.
Von Katharina Moser, Bonn/Windhoek
Von Katharina Moser, Bonn/Windhoek

Wie die beteiligten Staatschefs nach dem Abschluss des sechsten derartigen Gipfels vom 17. bis 18. Februar (AZ berichtete) in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten, wolle man eine erneuerte, gestärkte Partnerschaft zwischen den Gemeinschaften ins Leben rufen, die Afrika und Europa als „engste Partner“ auf Grundlage einer „Anerkennung der Geschichte“, „gemeinsamer Werte“ und „Gleichheit“ vorsehe. Bis zum Jahr 2030 will die EU dafür 150 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Mitteln in gemeinsame Projekte investieren. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte gar, die EU wolle „der stärkste Partner“ Afrikas werden.

Im Zentrum dieser Partnerschaft steht, so liest sich die Abschlusserklärung, der gleichberechtigte Zugang zu Impfstoffen gegen das Corona-Virus. Die EU will nach eigenen Angaben Mechanismen zum Erwerb und der Verteilung von medizinischen Produkten unterstützen und bestätigte nochmals die Absicht, mindestens 450 Millionen Impfdosen bis Mitte 2022 nach Afrika zu schicken. Daher habe das europäische Team über 3 Milliarden US-Dollar an die COVAX-Einrichtung bereitgestellt. Weitere 425 Millionen Euro sollen mobilisiert werden, um die Impfgeschwindigkeit zu erhöhen.

Drei Investitionspakete

Auch in der wirtschaftlichen Entwicklung stellte man Hilfe in Aussicht. Die angekündigten Investitionen sollen aus drei Paketen bestehen: Einerseits rein wirtschaftlicher Art, um Energie, Nachhaltigkeit und Infrastruktur zu fördern, andererseits Unterstützung im Gesundheitssektor sowie in der Bildung. Auch in die Sicherheitspolitik kam Bewegung: „Wir bekunden unsere Verpflichtung, unsere Zusammenarbeit zu fördern, indem wir angemessene Ausbildung, Kapazitätsaufbau und Ausrüstung unterstützen. Wir wollen autonome Friedensoperationen der afrikanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, auch durch EU-Missionen, sowie die Kapazitäten im Bereich der Strafverfolgung fördern“, so die Staatschefs des Gipfels. „Wir werden unsere Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit, einschließlich der Cybersicherheit, intensivieren. Wir werden uns den Bemühungen anschließen, die Rechtsstaatlichkeit und die Umsetzung der Agenden zur Sicherheit von Frauen und Kindern zu erhöhen.“

Auch Migration und Mobilität soll in Zukunft verstärkt gemeinsam gestaltet werden. Die Beteiligten bekannten sich zu gemeinsamem Handeln, um nach eigenen Angaben „irreguläre Migration“ zu verhindern, Kooperation gegen Schmuggel und Menschenschmuggel zu stärken, Grenzmanagement zu fördern und Reintegration und Rückkehr von Migranten zu organisieren. „Wir werden die Asylsysteme weiter stärken, mit dem Ziel, die Aufnahme und einen angemessenen Schutz für die Berechtigten zu gewährleisten sowie an ihrer Integration zu arbeiten. Wir werden weiterhin die eigentlichen Ursachen der irregulären Migration und Vertreibung angehen und die Zusammenarbeit bei der Bewältigung aller mit der Migration zusammenhängenden Fragen verstärken“, so heißt es wörtlich in der Erklärung.

Und zu guter Letzt steht am Ende ein Bekenntnis zum Multilateralismus zwischen den Staaten der Europäischen und der Afrikanischen Union.

Historische Zusammenarbeit

Der AU-Vorsitzende und Präsident des Senegal, Macky Sall, nannte es eine historische Gelegenheit zur Zusammenarbeit. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich optimistisch zur partnerschaftlichen Zukunft der beiden Kontinente: Er sprach laut der „Zeit“ von einem aufrichtigen Kooperationsangebot an die afrikanischen Länder. „Wir können die Pandemie nur gemeinsam besiegen", sagte der Bundeskanzler. Es gebe „eine ganze Latte von Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen müssen". Laut Scholz habe sich Deutschland in der Pandemie als zuverlässiger Partner erwiesen, da Deutschland mit aktuell 2,2 Milliarden Euro der zweitgrößte Geber für die WHO-Dachkampagne zur globalen Impfstoffverteilung (ACT Accelerator) sei.

In den Ohren afrikanischer Mitbürger mögen derartige Aussagen etwas schal klingen. Auch in Namibia wurden deutsche Impfstoffbereitstellungen teils als „gute Gaben“ empfunden, um das deutsche Gewissen zu beruhigen. Gerade nach den AstraZeneca-Lieferungen, die die Impfstoffverteilung in Namibia ankurbelten, wurde unter manchen der Vorwurf laut, die europäischen Staaten schickten die Impfstoffe nach Afrika, die die Europäer selbst als minderwertig empfänden. Manche sahen derartige Schritte als höhnisch, nachdem sich die westlichen Mächte als erstes den Großteil der Impfstoffkapazitäten gesichert hatten und der afrikanische Kontinent das Nachsehen hatte. Verärgerung gab und gibt es, gerade auch in Südafrika, über die Weigerung Brüssels, Patente auf Corona-Impfstoffe auszusetzen, was Afrika von der Eigenproduktion ausschließt.

Neuer Blick auf Afrika nötig

Dass das Thema des Klimawandels, unter dessen Folgen der afrikanische Kontinent unverhältnismäßig leidet, in den Augen mancher Kritiker vergleichsweise zu kurz kommt, ist nur ein Anlass von mehreren für Kritik am Gipfel.

Während europäische Staatschefs also stolz einen „New Deal“ mit Afrika einläuteten (dies wohl nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren), hat sich aber auch in Europa, vielleicht von den Mächtigen noch unbemerkt, ein anderer Blick auf den afrikanischen Kontinent eingeschlichen. Wie die „Zeit“ interessanterweise kommentiert: „Dieses neue Selbstbewusstsein (Afrikas) passt nicht zum medialen Blick Europas auf den ewig hilfsbedürftigen "Katastrophen-Kontinent", in dem Dschihadisten durch die Sahel-Region rasen, Bürgerkriege sich mit Hungersnöten abwechseln und immer irgendein Retter von außen kommen muss. All diese Krisen sind real und horrend. Aber die europäische Fixierung auf afrikanisches Elend war immer schon eine Verzerrung“, so schreibt die Redakteurin Andrea Böhm in Folge des Gipfels. „Der Kontinent der Krisen ist eben auch ein Kontinent der Visionen und der Innovationen, auf dem in den vergangenen zwei Jahren eine afrikanische Freihandelszone auf den Weg gebracht wurde, mobile banking längst weit verbreitet ist, die AU-Gesundheitsbehörden während der Pandemie ein kontinentales Netz an Labors und Testzentren hochgezogen haben und südafrikanische Wissenschaftler die Omikron-Variante identifizierten und nun einen mRNA-Impfstoff entwickeln.“

Nicht nur der „Zeit“ wird bewusst, dass Europa den afrikanischen Kontinent genauso braucht wie umgekehrt – es ist schließlich ein Kontinent mit einer enormen Bevölkerungsgröße, einem jungen Altersdurchschnitt, enormem wirtschaftlichen und innovativen Potenzial und einer Menge an natürlichen Ressourcen. All das muss für die westlichen Mächte interessant sein, und darf im Gerangel um Partnerschaften nicht nur Russland und China vorbehalten sein, die wohl früher als Europa gemerkt haben, dass Afrika nicht „nur Hilfe braucht“, sondern auch wirtschaftliche und politische Chancen bietet.

Diese müssen jedoch gleichberechtigt und auf Augenhöhe genutzt und besprochen werden. Die Zeit des europäischen Herablächelns muss vorbei sein. Dafür könnte die „Vision 2030“, die die EU und die AU gemeinschaftlich entwickelt haben, eine große Chance sein.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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