Namibische Verfassung unter Beschuss
LGBTQ+-Gesellschaft dient Hardlinern als Mittel zum Zweck
Die unnachgiebigen Bemühungen des Parlaments in der vergangenen Woche, Gesetzesänderungen durchzusetzen, die darauf abzielen das Urteil des Obersten Gerichtshofs abzuwehren, laut dem gleichgeschlechtliche Ehen anerkannt werden müssen, grenzen an eine Unterminierung und Beeinträchtigung der unabhängigen Gesetzsprechung in Namibia.
Von NMH-Redaktion & Frank Steffen, Windhoek
Neben der Exekutive und der Legislative gilt die Justiz als dritte unabhängige Säule der in der namibischen Verfassung verankerten Demokratie. Einige Experten und Beobachter sehen in der Verabschiedung der sogenannten Jerry-Ekandjo-Gesetzesvorlagen eine künftige Gefahr für die namibische Verfassung, die willkürlich verändert werden könnte.
Noch vor zwei Wochen übten Parlamentarier (Legislative) schwere Kritik an der Regierungspartei, der sie als Exekutive Nachlässigkeit vorgeworfen hatten, weil sie in letzter Minute Gesetzesveränderungen in der Nationalversammlung vorgebracht hatte. Es ging um Finanzgesetze und –kontrollen, die internationaler Norm angeglichen werden mussten, damit Namibia nicht auf die graue Liste der internationalen Aufsichtsbehörde für Finanzkriminalität (Financial Action Task Force, FATF) gesetzt wird.
Doch jetzt ließ sich die Mehrzahl der Gesetzgeber dazu hinreißen, in kaum denkbar kurzer Zeit Gesetzesänderungen gegen die LGBTQ+-Gesellschaft durchzuboxen.
Ekandjo versus Oberstes Gericht
Der Swapo-Hardliner und ehemalige Jugendminister, Jerry Ekandjo, hatte eine Gesetzesvorlage zur Definition des Begriffs ,,Ehepartner" und zur Änderung des Ehegesetzes von 1961 eingebracht. Dies folgt dem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Mai, welches das Innenministerium anweist, Anträge auf verschiedene Genehmigungen für ausländische Ehepartner, die im Ausland gültig mit Namibiern in gleichgeschlechtlichen Ehen verheiratet sind, wohlwollend zu prüfen und diese Verbindung zu respektieren.
Ekandjo berief sich vor allem auf Artikel 81 der namibischen Verfassung, der dem Parlament die Möglichkeit einräumt, Gesetze zu erlassen, die Gerichtsurteilen widersprechen. Ekandjo zielt darauf ab, gleichgeschlechtliche Ehen zu verbieten, die Begehung gleichgeschlechtlicher Ehen zu untersagen und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen zu verweigern. Der Entwurf, der noch dem Nationalrat vorgelegt werden muss, soll den Begriff ,,Ehepartner" ausdrücklich als heterosexuelle Beziehung definieren, da dies die Entscheidung des Obersten Gerichts ungültig machen würde. Der 76-Jährige hatte den Richtern vorgeworfen, sie seien auf einer ,,Reise zur Besänftigung ausländischer Interessen" und würden ,,satanisches Verhalten" fördern.
Parlamentarier sind homophob
Die Gesetzgeber, die sich mit dem Thema befasst hätten, seien homophob und würden den Obersten Gerichtshof missachten, was die Rechtsstaatlichkeit gefährde. So beantwortete der Politikwissenschaftler Henning Melber eine an ihn gerichtete Nachfrage der AZ. ,,Anstatt stolz auf eine so unabhängige Justiz zu sein, die zum Ruf des Landes als Demokratie beiträgt, die sich auf einen Menschenrechtsrahmen und bürgerliche Freiheiten stützt, die bei der Unabhängigkeit in die Verfassung aufgenommen wurden, droht die derzeitige Initiative in der Nationalversammlung, die nicht nur von der Regierungspartei, sondern auch von vielen Abgeordneten anderer Parteien gebilligt wurde, ein wesentliches und grundlegendes Element der verfassungsmäßigen Demokratie Namibias zu demontieren.” Dies sei ein beunruhigendes Zeichen für den Verfall der politischen Kultur.
Die Direktorin des Rechtsbeistandsbüros (LAC), Toni Hancox, zeigte sich auf Nachfrage der AZ besorgt und stellt die Frage, ob sich hinter dem ganzen Tohuwabohu um die gleichgeschlechtliche Ehe nicht die größere Gefahr verberge, dass künftig Gesetze und die Einhaltung von Gerichtsbeschlüssen von Politikern durch parlamentarische Verfahren umgangen werden könnten. ,,Wir sollten alle zutiefst besorgt sein, wenn ein Parlamentarier sagt, dass er die Verfassung nach Bedarf ,fixen' (manipulieren/reparieren) will. Das würde bedeuten, dass die Regierung jedes Mal, wenn sie mit einer Bestimmung der Verfassung nicht einverstanden ist, diese einfach ändern kann. Dies stellt ein deutliches Zeichen gegen die Unabhängigkeit der namibischen Justiz dar", glaubt Hancox. Sie sei bekümmert, da ,,es in diesem Fall keine lautstarke Opposition im Parlament gab”.
Ferner sei sie besorgt über die herablassende und erniedrigende Art und Weise, in der Ekandjos Gesetzesentwürfe im Parlament behandelt wurden: ,,Die Diskussion im Parlament war zutiefst respektlos und berücksichtigte nicht das Recht auf Würde für alle Einwohner Namibias, ein Grundpfeiler unserer Verfassung. Die Diskussion wurde teilweise unter Gelächter und Spott geführt. In meiner gesamten Zeit beim LAC ist dies der schlimmste Angriff auf das Gleichgewicht zwischen den drei Staatsgewalten und insbesondere auf die Justiz."
Insbesondere der Abgeordnete Vipua Muharukua von der Popular Democratic Movement (PDM) war aufgefallen, als er Ekandjo wegen dessen Gesetzesentwürfe als Held bezeichnete und seinen Angriff auf die Justiz fortsetzte, indem er die ,,Prüfung der Art und Weise, wie Richter ernannt werden" forderte.
,,Ich bin mir nicht sicher, ob dies ein bewusster erster Schritt in Richtung Simbabwe ist, wo die Rechtsstaatlichkeit zum Recht der Herrschenden gemacht wurde. Aber selbst wenn dies nicht beabsichtigt ist, öffnet es die Tür dafür, wenn die Nationalversammlung den Gesetzentwurf annehmen sollte", glaubt Melber.
Dies könne einen Schneeballeffekt auslösen, der dazu führen könnte, dass der homosexuellen Gemeinschaft des Landes weitere Freiheiten entzogen werden. Allerdings fände er ,,es schwierig zu entscheiden, ob es sich um einen absichtlich organisierten Angriff handelt, dem weitere Schritte folgen sollen, oder um eine spontane homophobe Reaktion, die von vielen geteilt wird und als eine einmalige populistische, billige Aktion im Rahmen eines sich entwickelnden Wahlkampfs zu betrachten ist”.
Neben der Exekutive und der Legislative gilt die Justiz als dritte unabhängige Säule der in der namibischen Verfassung verankerten Demokratie. Einige Experten und Beobachter sehen in der Verabschiedung der sogenannten Jerry-Ekandjo-Gesetzesvorlagen eine künftige Gefahr für die namibische Verfassung, die willkürlich verändert werden könnte.
Noch vor zwei Wochen übten Parlamentarier (Legislative) schwere Kritik an der Regierungspartei, der sie als Exekutive Nachlässigkeit vorgeworfen hatten, weil sie in letzter Minute Gesetzesveränderungen in der Nationalversammlung vorgebracht hatte. Es ging um Finanzgesetze und –kontrollen, die internationaler Norm angeglichen werden mussten, damit Namibia nicht auf die graue Liste der internationalen Aufsichtsbehörde für Finanzkriminalität (Financial Action Task Force, FATF) gesetzt wird.
Doch jetzt ließ sich die Mehrzahl der Gesetzgeber dazu hinreißen, in kaum denkbar kurzer Zeit Gesetzesänderungen gegen die LGBTQ+-Gesellschaft durchzuboxen.
Ekandjo versus Oberstes Gericht
Der Swapo-Hardliner und ehemalige Jugendminister, Jerry Ekandjo, hatte eine Gesetzesvorlage zur Definition des Begriffs ,,Ehepartner" und zur Änderung des Ehegesetzes von 1961 eingebracht. Dies folgt dem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Mai, welches das Innenministerium anweist, Anträge auf verschiedene Genehmigungen für ausländische Ehepartner, die im Ausland gültig mit Namibiern in gleichgeschlechtlichen Ehen verheiratet sind, wohlwollend zu prüfen und diese Verbindung zu respektieren.
Ekandjo berief sich vor allem auf Artikel 81 der namibischen Verfassung, der dem Parlament die Möglichkeit einräumt, Gesetze zu erlassen, die Gerichtsurteilen widersprechen. Ekandjo zielt darauf ab, gleichgeschlechtliche Ehen zu verbieten, die Begehung gleichgeschlechtlicher Ehen zu untersagen und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen zu verweigern. Der Entwurf, der noch dem Nationalrat vorgelegt werden muss, soll den Begriff ,,Ehepartner" ausdrücklich als heterosexuelle Beziehung definieren, da dies die Entscheidung des Obersten Gerichts ungültig machen würde. Der 76-Jährige hatte den Richtern vorgeworfen, sie seien auf einer ,,Reise zur Besänftigung ausländischer Interessen" und würden ,,satanisches Verhalten" fördern.
Parlamentarier sind homophob
Die Gesetzgeber, die sich mit dem Thema befasst hätten, seien homophob und würden den Obersten Gerichtshof missachten, was die Rechtsstaatlichkeit gefährde. So beantwortete der Politikwissenschaftler Henning Melber eine an ihn gerichtete Nachfrage der AZ. ,,Anstatt stolz auf eine so unabhängige Justiz zu sein, die zum Ruf des Landes als Demokratie beiträgt, die sich auf einen Menschenrechtsrahmen und bürgerliche Freiheiten stützt, die bei der Unabhängigkeit in die Verfassung aufgenommen wurden, droht die derzeitige Initiative in der Nationalversammlung, die nicht nur von der Regierungspartei, sondern auch von vielen Abgeordneten anderer Parteien gebilligt wurde, ein wesentliches und grundlegendes Element der verfassungsmäßigen Demokratie Namibias zu demontieren.” Dies sei ein beunruhigendes Zeichen für den Verfall der politischen Kultur.
Die Direktorin des Rechtsbeistandsbüros (LAC), Toni Hancox, zeigte sich auf Nachfrage der AZ besorgt und stellt die Frage, ob sich hinter dem ganzen Tohuwabohu um die gleichgeschlechtliche Ehe nicht die größere Gefahr verberge, dass künftig Gesetze und die Einhaltung von Gerichtsbeschlüssen von Politikern durch parlamentarische Verfahren umgangen werden könnten. ,,Wir sollten alle zutiefst besorgt sein, wenn ein Parlamentarier sagt, dass er die Verfassung nach Bedarf ,fixen' (manipulieren/reparieren) will. Das würde bedeuten, dass die Regierung jedes Mal, wenn sie mit einer Bestimmung der Verfassung nicht einverstanden ist, diese einfach ändern kann. Dies stellt ein deutliches Zeichen gegen die Unabhängigkeit der namibischen Justiz dar", glaubt Hancox. Sie sei bekümmert, da ,,es in diesem Fall keine lautstarke Opposition im Parlament gab”.
Ferner sei sie besorgt über die herablassende und erniedrigende Art und Weise, in der Ekandjos Gesetzesentwürfe im Parlament behandelt wurden: ,,Die Diskussion im Parlament war zutiefst respektlos und berücksichtigte nicht das Recht auf Würde für alle Einwohner Namibias, ein Grundpfeiler unserer Verfassung. Die Diskussion wurde teilweise unter Gelächter und Spott geführt. In meiner gesamten Zeit beim LAC ist dies der schlimmste Angriff auf das Gleichgewicht zwischen den drei Staatsgewalten und insbesondere auf die Justiz."
Insbesondere der Abgeordnete Vipua Muharukua von der Popular Democratic Movement (PDM) war aufgefallen, als er Ekandjo wegen dessen Gesetzesentwürfe als Held bezeichnete und seinen Angriff auf die Justiz fortsetzte, indem er die ,,Prüfung der Art und Weise, wie Richter ernannt werden" forderte.
,,Ich bin mir nicht sicher, ob dies ein bewusster erster Schritt in Richtung Simbabwe ist, wo die Rechtsstaatlichkeit zum Recht der Herrschenden gemacht wurde. Aber selbst wenn dies nicht beabsichtigt ist, öffnet es die Tür dafür, wenn die Nationalversammlung den Gesetzentwurf annehmen sollte", glaubt Melber.
Dies könne einen Schneeballeffekt auslösen, der dazu führen könnte, dass der homosexuellen Gemeinschaft des Landes weitere Freiheiten entzogen werden. Allerdings fände er ,,es schwierig zu entscheiden, ob es sich um einen absichtlich organisierten Angriff handelt, dem weitere Schritte folgen sollen, oder um eine spontane homophobe Reaktion, die von vielen geteilt wird und als eine einmalige populistische, billige Aktion im Rahmen eines sich entwickelnden Wahlkampfs zu betrachten ist”.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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