Überfüllte Knäste
Englands Justiz steckt tief in der Krise
Wegen schärferer Vorgaben werden immer mehr Täter in England zu Haftstrafen verurteilt. Doch die Gefängnisse sind schon überfüllt, die Bedingungen mit Drogen und Bandengewalt gelten teils als unmenschlich. Nun soll eine Reform eine Trendwende einleiten.
Von Benedikt von Imhoff, dpa
London
Es sind noch 557 Plätze frei. Oder anders gesagt: Die 120 Gefängnisse in England und Wales sind am Anschlag. Es sei „unvermeidbar“, dass es in allernächster Zeit nicht mehr ausreichend Zellen geben werde, teilte die Vereinigung der Gefängnisdirektoren (Prison Governors Association) der Zeitung „Independent“ mit. Und die „Times“ berichtete, Gerichte seien angewiesen worden, absehbare Verurteilungen doch bitte möglichst aufzuschieben.
Derzeit sitzen 88 225 Menschen in England und Wales in Haft – bei einer Kapazität von 88 782 Plätzen. Das sind so viele wie nie. Laut der Website „World Prison Brief“ gibt es 146 Häftlinge je 100 000 Einwohnern. Und es dürften absehbar noch mehr werden. Die Regierung selbst schätzt, dass im März 2027 bis zu 106 300 Menschen eingesperrt sein könnten.
Die steigenden Zahlen in Großbritannien sind Folge einer harten „law and order“-Politik der konservativen Regierung, wie Experten betonen. Sicherheits-Staatssekretär Tom Tugendhat sprach von einer „Welle von Strafverfolgungen“. Nicht nur werden mehr Menschen zu Haftstrafen verurteilt, sie erhalten auch längere Haftstrafen. Bereits vor Monaten warnte Nick Hardwick von der Londoner Uni Royal Holloway: „Die Wasserhähne sind voll aufgedreht und der Abfluss verstopft.“
Justizminister Alex Chalk steht nun vor der schwierigen Aufgabe, konservative Vorstellungen einer strafenden Justiz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Gefängnisse zu entlasten. Dabei stehen rund 65 000 Verfahren aus. Im Juni warteten 15 000 Angeklagte in Untersuchungshaft auf ihren Prozess, 2019 waren es noch 9 500. Der Rückstau stammt größtenteils noch aus der Pandemie, ein Anwaltsstreik ließ die Zahlen zusätzlich in die Höhe schnellen.
Berichten, auch Urteile gegen Vergewaltiger könnten wegen der Überfüllung auf die lange Bank geschoben werden, schob Minister Chalk einen Riegel vor. „Zu häufig kehren Straftäter routinemäßig wieder zur Kriminalität zurück, sobald sie das Gefängnistor verlassen.“ Die kurze Spanne reiche nicht, um sie zu rehabilitieren, entfremde sie aber von Familie und Arbeit. Da klingt der Justizminister, dessen Konservative Partei immer stärker nach rechts rückt, überraschend liberal.
London
Es sind noch 557 Plätze frei. Oder anders gesagt: Die 120 Gefängnisse in England und Wales sind am Anschlag. Es sei „unvermeidbar“, dass es in allernächster Zeit nicht mehr ausreichend Zellen geben werde, teilte die Vereinigung der Gefängnisdirektoren (Prison Governors Association) der Zeitung „Independent“ mit. Und die „Times“ berichtete, Gerichte seien angewiesen worden, absehbare Verurteilungen doch bitte möglichst aufzuschieben.
Derzeit sitzen 88 225 Menschen in England und Wales in Haft – bei einer Kapazität von 88 782 Plätzen. Das sind so viele wie nie. Laut der Website „World Prison Brief“ gibt es 146 Häftlinge je 100 000 Einwohnern. Und es dürften absehbar noch mehr werden. Die Regierung selbst schätzt, dass im März 2027 bis zu 106 300 Menschen eingesperrt sein könnten.
Die steigenden Zahlen in Großbritannien sind Folge einer harten „law and order“-Politik der konservativen Regierung, wie Experten betonen. Sicherheits-Staatssekretär Tom Tugendhat sprach von einer „Welle von Strafverfolgungen“. Nicht nur werden mehr Menschen zu Haftstrafen verurteilt, sie erhalten auch längere Haftstrafen. Bereits vor Monaten warnte Nick Hardwick von der Londoner Uni Royal Holloway: „Die Wasserhähne sind voll aufgedreht und der Abfluss verstopft.“
Justizminister Alex Chalk steht nun vor der schwierigen Aufgabe, konservative Vorstellungen einer strafenden Justiz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Gefängnisse zu entlasten. Dabei stehen rund 65 000 Verfahren aus. Im Juni warteten 15 000 Angeklagte in Untersuchungshaft auf ihren Prozess, 2019 waren es noch 9 500. Der Rückstau stammt größtenteils noch aus der Pandemie, ein Anwaltsstreik ließ die Zahlen zusätzlich in die Höhe schnellen.
Berichten, auch Urteile gegen Vergewaltiger könnten wegen der Überfüllung auf die lange Bank geschoben werden, schob Minister Chalk einen Riegel vor. „Zu häufig kehren Straftäter routinemäßig wieder zur Kriminalität zurück, sobald sie das Gefängnistor verlassen.“ Die kurze Spanne reiche nicht, um sie zu rehabilitieren, entfremde sie aber von Familie und Arbeit. Da klingt der Justizminister, dessen Konservative Partei immer stärker nach rechts rückt, überraschend liberal.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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