Energiekrise im Wintersport
Wie hart werden die Einschnitte in der Zukunft sein?
Slalom in Garmisch, Vierschanzen-Tournee in Oberstdorf, Bobrennen in Winterberg. Dafür braucht es auch viel Energie. Doch die ist nun extrem teuer. Wie hart werden die Einschnitte für den Wintersport?
Von Sandra Degenhardt, dpa
Berlin
Ohne Kunstschnee auf Loipen, Pisten und Skisprungschanzen könnten Denise Herrmann, Karl Geiger und Co. ihren Sport schon lange nicht mehr betreiben. Seit Jahren ist dieses energieaufwendige Produzieren Normalität - die Kosten dafür bisher zu bewältigen. Aber angesichts der explodierenden Preise für Strom und Gas steht auch der Wintersport vor großen Problemen. Selbst Ausfälle von Weltcupveranstaltungen werden nicht mehr ausgeschlossen.
Droht der Energiekollaps? Der Weltverband FIS räumte ein, dass die Energiekrise zu Absagen von Weltcups im nordischen und alpinen Skisport führen könnte. „Gegenwärtig haben wir keinen Plan B“, sagte Generalsekretär Michel Vion. Vor allem die Problematik in Bezug auf Schneeproduktion und Flutlichtevents sei ein großes Thema. Es sei nicht einfach, wenn die Menschen Wasser und Strom sparen müssten, nebenan aber Wettbewerbe vorbereitet und durchgeführt würden. Sollten viele Pisten nicht beschneit werden - weil aus politischer Sicht als Einsparpotenzial gewollt oder finanziell zu kostspielig - wäre für das deutsche Team Training im Ausland eine Option, auf Dauer logistisch allerdings ziemlich teuer.
Kürzere Flutlichtzeiten
Die FIS arbeite mit den Veranstaltern daran, den Energiebedarf einer Veranstaltung zu reduzieren. Als Möglichkeiten wurden kürzere Flutlichtzeiten, eine niedrigere Wattzahl und weniger Generatoren genannt - vorrangig in den Nicht-Wettkampfzeiten.
Denn der Bedarf an Energie ist teils exorbitant, stand aber in Zeiten niedriger Strom- und Gaspreise nie so stark im Fokus wie jetzt. So braucht man für die Vereisung der Bobbahnen pro Saison jeweils etwa eine Million Kilowattstunden, so viel wie 250 Vierpersonenhaushalte im Jahr. Für das Eis machen in der Erfurter Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle sind es gut 3,2 Millionen Kilowattstunden, Kosten jährlich zuletzt rund 150 000 Euro. Diesmal wurde unter anderem das Innenfeld nicht vereist und steht weder dem Eissport noch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Und in Garmisch-Partenkirchen zum Beispiel schlug vor zwei Jahren die Beschneiung des gesamten Skigebiets mit 300 000 Kubikmetern bereits mit 1,35 Millionen Euro zu Buche.
Der Bob und Schlittenverband Deutschland hat erste Maßnahmen ergriffen. Die Bahnen sollen später vereist und die Kühlung auf Minimalbetrieb gehalten werden, die Eisdicke schrumpfen. Zudem will man 2023/2024 beim Weltverband eine Verschiebung des Saisonbeginns nach hinten beantragen, sodass auf den Bahnen erst ab 1. November trainiert wird und so später vereist werden muss.
Beim Skisprung-Zentrum Oberstdorf, wo immer das Auftaktspringen der Vierschanzen-Tournee stattfindet, weiß man noch nicht, wie hoch die Stromkosten ab Januar sind. Der Vertrag für das Skisprungstadion wurde gekündigt, das neue Angebot sieht keinen Festpreis mehr vor, sondern einen monatlichen Durchschnittspreis nach den täglichen Spottpreisen an der Strombörse.
Im Eishockey mit den besonders energieintensiven Flächen steht derweil die Zukunft vieler Hallen auf dem Spiel. Für die Vereisung von 1800 Quadratmetern braucht man jährlich rund 600 000 Kilowattstunden. Je nach Standort und Alter der Halle sind die Energiekosten um den Faktor zwei bis vier gestiegen. Dass sich das Sterben der älteren Hallen nun beschleunigt, gilt als ausgemacht. Und Deutschland hat schon nicht viele Eisflächen.
Hallenschließungen befürchtet
Für die Profi-Clubs dürfte dieser Winter noch zu handhaben sein, weil sie meist Mieter in den Arenen sind. Gernot Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga, befürchtet durch mögliche Hallenschließungen eher Auswirkungen auf den Breiten- und Nachwuchssport: „Da muss eine klare politische Aussage kommen und nicht: Wir sperren da jetzt zu, um ein bisschen Strom zu sparen.“
In Oberhof steht im Februar die Biathlon-WM an. Bei der Sanierung der Arena hat man bereits auf das Thema Energie geschaut. Der Standort sei bei der klimaneutralen Energieversorgung gegenwärtig Vorreiter, sagte Hartmut Schubert, Vorsitzender des Zweckverbandes Thüringer Wintersportzentrum sowie WM- und Oberhof-Beauftragter der Thüringer Landesregierung. Man setze auf effiziente Photovoltaik-Technik, Abwärmenutzung und den Bau eines Blockheizkraftwerkes - so werden schon 60 Prozent der eigenen Energieversorgung produziert. Ein Schneedepot sichert das kostbare Weiß.
Fünf Millionen Kilowattstunden
Aber für Biathlon-Arena, die Rodelbahn und die Skihalle fallen jährlich rund fünf Millionen Kilowattstunden Strom an. In der Skihalle sind die Biathleten und Langläufer - auch ausländische - häufig zum Training. Dafür muss ganzjährig Schnee produziert werden, die Kosten derzeit noch gut 300 000 Euro. Auch wenn die Energie- und Versorgungskrise vor dem Standort Oberhof nicht Halt mache, wolle man Nutzungseinschränkungen im Trainings- und Wettkampfbetrieb unter allen Umständen vermeiden, sagte Schubert. Es sei aber klar, in welchem Spannungsfeld der Wintersport und der Betrieb von Sportstätten mit Blick auf deren Energiebedarf stünden.
Auch das Internationale Olympische Komitee ist von der Krise inklusive Inflation betroffen. Man habe deshalb die Programme entsprechend angepasst, für die laufende Olympiade bis 2024 sei die Unterstützung für Athleten und internationale Verbände gesichert. „Dann wird es auf die Gespräche mit den Verbänden ankommen. Dort ist die Situation ja sehr unterschiedlich, was Eissportarten und was Schneesportarten betrifft beispielsweise“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach der Deutschen Presse-Agentur.
Berlin
Ohne Kunstschnee auf Loipen, Pisten und Skisprungschanzen könnten Denise Herrmann, Karl Geiger und Co. ihren Sport schon lange nicht mehr betreiben. Seit Jahren ist dieses energieaufwendige Produzieren Normalität - die Kosten dafür bisher zu bewältigen. Aber angesichts der explodierenden Preise für Strom und Gas steht auch der Wintersport vor großen Problemen. Selbst Ausfälle von Weltcupveranstaltungen werden nicht mehr ausgeschlossen.
Droht der Energiekollaps? Der Weltverband FIS räumte ein, dass die Energiekrise zu Absagen von Weltcups im nordischen und alpinen Skisport führen könnte. „Gegenwärtig haben wir keinen Plan B“, sagte Generalsekretär Michel Vion. Vor allem die Problematik in Bezug auf Schneeproduktion und Flutlichtevents sei ein großes Thema. Es sei nicht einfach, wenn die Menschen Wasser und Strom sparen müssten, nebenan aber Wettbewerbe vorbereitet und durchgeführt würden. Sollten viele Pisten nicht beschneit werden - weil aus politischer Sicht als Einsparpotenzial gewollt oder finanziell zu kostspielig - wäre für das deutsche Team Training im Ausland eine Option, auf Dauer logistisch allerdings ziemlich teuer.
Kürzere Flutlichtzeiten
Die FIS arbeite mit den Veranstaltern daran, den Energiebedarf einer Veranstaltung zu reduzieren. Als Möglichkeiten wurden kürzere Flutlichtzeiten, eine niedrigere Wattzahl und weniger Generatoren genannt - vorrangig in den Nicht-Wettkampfzeiten.
Denn der Bedarf an Energie ist teils exorbitant, stand aber in Zeiten niedriger Strom- und Gaspreise nie so stark im Fokus wie jetzt. So braucht man für die Vereisung der Bobbahnen pro Saison jeweils etwa eine Million Kilowattstunden, so viel wie 250 Vierpersonenhaushalte im Jahr. Für das Eis machen in der Erfurter Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle sind es gut 3,2 Millionen Kilowattstunden, Kosten jährlich zuletzt rund 150 000 Euro. Diesmal wurde unter anderem das Innenfeld nicht vereist und steht weder dem Eissport noch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Und in Garmisch-Partenkirchen zum Beispiel schlug vor zwei Jahren die Beschneiung des gesamten Skigebiets mit 300 000 Kubikmetern bereits mit 1,35 Millionen Euro zu Buche.
Der Bob und Schlittenverband Deutschland hat erste Maßnahmen ergriffen. Die Bahnen sollen später vereist und die Kühlung auf Minimalbetrieb gehalten werden, die Eisdicke schrumpfen. Zudem will man 2023/2024 beim Weltverband eine Verschiebung des Saisonbeginns nach hinten beantragen, sodass auf den Bahnen erst ab 1. November trainiert wird und so später vereist werden muss.
Beim Skisprung-Zentrum Oberstdorf, wo immer das Auftaktspringen der Vierschanzen-Tournee stattfindet, weiß man noch nicht, wie hoch die Stromkosten ab Januar sind. Der Vertrag für das Skisprungstadion wurde gekündigt, das neue Angebot sieht keinen Festpreis mehr vor, sondern einen monatlichen Durchschnittspreis nach den täglichen Spottpreisen an der Strombörse.
Im Eishockey mit den besonders energieintensiven Flächen steht derweil die Zukunft vieler Hallen auf dem Spiel. Für die Vereisung von 1800 Quadratmetern braucht man jährlich rund 600 000 Kilowattstunden. Je nach Standort und Alter der Halle sind die Energiekosten um den Faktor zwei bis vier gestiegen. Dass sich das Sterben der älteren Hallen nun beschleunigt, gilt als ausgemacht. Und Deutschland hat schon nicht viele Eisflächen.
Hallenschließungen befürchtet
Für die Profi-Clubs dürfte dieser Winter noch zu handhaben sein, weil sie meist Mieter in den Arenen sind. Gernot Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga, befürchtet durch mögliche Hallenschließungen eher Auswirkungen auf den Breiten- und Nachwuchssport: „Da muss eine klare politische Aussage kommen und nicht: Wir sperren da jetzt zu, um ein bisschen Strom zu sparen.“
In Oberhof steht im Februar die Biathlon-WM an. Bei der Sanierung der Arena hat man bereits auf das Thema Energie geschaut. Der Standort sei bei der klimaneutralen Energieversorgung gegenwärtig Vorreiter, sagte Hartmut Schubert, Vorsitzender des Zweckverbandes Thüringer Wintersportzentrum sowie WM- und Oberhof-Beauftragter der Thüringer Landesregierung. Man setze auf effiziente Photovoltaik-Technik, Abwärmenutzung und den Bau eines Blockheizkraftwerkes - so werden schon 60 Prozent der eigenen Energieversorgung produziert. Ein Schneedepot sichert das kostbare Weiß.
Fünf Millionen Kilowattstunden
Aber für Biathlon-Arena, die Rodelbahn und die Skihalle fallen jährlich rund fünf Millionen Kilowattstunden Strom an. In der Skihalle sind die Biathleten und Langläufer - auch ausländische - häufig zum Training. Dafür muss ganzjährig Schnee produziert werden, die Kosten derzeit noch gut 300 000 Euro. Auch wenn die Energie- und Versorgungskrise vor dem Standort Oberhof nicht Halt mache, wolle man Nutzungseinschränkungen im Trainings- und Wettkampfbetrieb unter allen Umständen vermeiden, sagte Schubert. Es sei aber klar, in welchem Spannungsfeld der Wintersport und der Betrieb von Sportstätten mit Blick auf deren Energiebedarf stünden.
Auch das Internationale Olympische Komitee ist von der Krise inklusive Inflation betroffen. Man habe deshalb die Programme entsprechend angepasst, für die laufende Olympiade bis 2024 sei die Unterstützung für Athleten und internationale Verbände gesichert. „Dann wird es auf die Gespräche mit den Verbänden ankommen. Dort ist die Situation ja sehr unterschiedlich, was Eissportarten und was Schneesportarten betrifft beispielsweise“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach der Deutschen Presse-Agentur.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
Zu diesem Artikel wurden keine Kommentare hinterlassen