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Erklärungsnot statt Euphorie: „Super-Gau“ der U21 verschärft Krise

Das klägliche EM-Scheitern der U21 ist der nächste schwere Stimmungsdämpfer für den deutschen Fußball. Hansi Flick und Antonio Di Salvo müssen etliche Probleme
Von Miriam Schmidt und Christian Kunz, dpa

Batumi


Zwischen gepackten Kisten im Teamhotel rätselten Antonio Di Salvo und Joti Chatzialexiou mit leeren Blicken über die Gründe für den „Super-Gau“. Mit reichlich neuen Problemen und vielen Fragen trat der entthronte Europameister um den tief gefrusteten U21-Trainer und den DFB-Nationalmannschaftsleiter die Reise von der Schwarzmeerküste zurück nach Deutschland an. Statt der erhofften Erfolge als Mutmacher vor der Heim-EM bringt die deutsche U21 von ihrer krachend gescheiterten EM-Mission in Georgien einen kläglichen Vorrunden-K.o. und neue Sorgen mit nach Hause. Der nächste schwere Stimmungsdämpfer nach der tiefen Krise der A-Nationalelf hinterlässt ein beunruhigendes Gesamtbild des deutschen Fußballs - und das ein Jahr vor dem ersehnten EM-Sommermärchen.

„Der Super-Gau ist tatsächlich eingetroffen“, sagte Chatzialexiou nach dem 0:2 im letzten Vorrundenspiel gegen England in Batumi, das die historisch schlechte EM-Bilanz der U21 und das früheste Aus seit 2013 als Tabellenletzter besiegelte. „Das ist einfach zu wenig, wenn du Europameister werden und dich für die Olympischen Spiele qualifizieren willst. Als Fußball-Nation musst du anders auftreten“, forderte der 47-Jährige. Nach dem missglückten Aufbruch des A-Teams in Richtung Heim-EM macht nun auch die U21 Kummer.

Schon vor dem finalen K.o. hatte Völler die U21-Enttäuschungen als „Spiegelbild“ des A-Teams bezeichnet und gewarnt: „Das ist sicherlich kein Zufall.“ Personelle Konsequenzen wird es dennoch vorerst nicht geben. Bundestrainer Hansi Flick und Di Salvo, dessen Vertrag vor dem Turnier bis 2025 verlängert wurde, dürfen weitermachen. „Hansi weiß, wir müssen liefern“, sagte Völler. Das gilt auch für Di Salvo, der am Tag nach dem Aus sichtlich mitgenommen mit seinen Emotionen kämpfte. „Wir hinterfragen uns immer ständig und auch kritisch“, sagte der 44-Jährige, der auch auf die großen Verletzungssorgen und die vielen Rückschläge für sein Team verwies. „Am Ende hat es nicht gereicht und das hat mehrere Gründe.“



Den deutschen Fußball nicht begraben

Das A-Nationalteam hatte in den vergangenen Jahren unter Joachim Löw und dessen Nachfolger Flick vor allem mit den WM-Debakeln 2018 und 2022 enttäuscht. Die U21 war dagegen unter Stefan Kuntz mit drei Final-Teilnahmen und zwei Titeln ein zuverlässiger Lieferant von Erfolgen und Fußball-Begeisterung. „Wir haben immer Schwankungen“, sagte Funktionär Chatzialexiou. Er mahnte, man dürfe trotz der Enttäuschung in diesem Sommer „den deutschen Fußball auch nicht begraben“. Dennoch legte der Misserfolg der U21 noch einmal ganz schonungslos Probleme im deutschen Nachwuchs-Fußball offen.

Nach zwei unglücklichen Auftritten der U21 gegen Israel (1:1) und Tschechien (1:2) war vor allem gegen EM-Favorit England ein Klassenunterschied sichtbar. „Das war auf jeden Fall nicht mutig, das war ohne Herz. Da muss mehr kommen“, sagte Mittelfeldspieler Angelo Stiller. Und auch Di Salvo räumte ein: „Uns wurden klar die Grenzen aufgezeigt. England war mindestens eine Klasse besser. Wir haben Schwierigkeiten, da mitzuhalten.“

Seit Jahren warnen Experten und Verantwortliche, dass sich in der deutschen Talente-Ausbildung etwas ändern müsse. Mit dem Projekt Zukunft versucht der DFB seit 2018, Reformen umzusetzen. Doch dies gestaltet sich auch wegen der viele Interessen mühsam. Es sei im Gesamtsystem in Deutschland schwierig, Veränderungen „manchmal in die Köpfe der Menschen zu bekommen“, kritisierte Chatzialexiou. Während die Erfolge der U21 in den vergangenen Jahren die Probleme verdeckten, schlagen sie nun mit voller Wucht durch. Der EM-Titel für die U17 in diesem Sommer wirkt da wie ein einzelner Ausreißer nach oben, ist aber gleichzeitig bei aller Tristesse auch ein Mutmacher.

Di Salvo und Chatzialexiou wollen nun durchatmen, zur Ruhe kommen und das Scheitern analysieren. Gleiches gilt für Flick nach den enttäuschenden Auftritten seiner Nationalelf. Im September wird es für sie alle dann darum gehen, schnellstmöglich Vorfreude auf Heim-EM zu schüren - und ein titelfähiges Team aufzubauen. „Die Zeit der Experimente ist vorbei, jetzt geht es ins EM-Jahr rein“, forderte Völler. Aus dem aktuellen U21-Kader konnte sich bei der EM allerdings niemand nachhaltig für die Flick-Auswahl empfehlen. Hoffnungen machen allenfalls Spieler wie der 18 Jahre alte Nelson Weiper mit Blick auf das nächste U21-Turnier in zwei Jahren - für die Heim-EM im kommenden Jahr sind sie aber noch keine Kandidaten.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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