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„Mein Leben": Streich verlässt Freiburg schweren Herzens

In zwei Monaten ist Schluss. Christian Streich verkündet das Ende seiner Ära beim SC. Die Badener verlieren ihre größte Identifikationsfigur - und wollen zeitnah den Nachfolger präsentieren.
Von Christoph Lother, dpa

Freiburg


Christian Streich lächelte etwas gequält in die Kamera. Es fiel ihm alles andere als leicht, diese Botschaft zu überbringen. „Sehr schweren Herzens“ teilte er mit, dass er seinen Vertrag als Cheftrainer des SC Freiburg nicht mehr verlängern und den Fußball-Bundesligisten im Sommer verlassen werde. Es hatte sich angedeutet: In Freiburg endet eine Ära. Der Club verliert seine größte Identifikationsfigur, die Liga eine ihrer prägenden Figuren.

Ein Nachfolger solle „zeitnah“ bekannt gegeben werden, teilte der Sport Club mit. Dem Sender Sky zufolge könnte es Freiburgs Ex-Kapitän Julian Schuster werden. Er würde in gewaltige Fußstapfen treten.

„Dieser Verein ist mein Leben“, sagte Streich und sprach damit aus, was er in mittlerweile fast 29 Jahren beim Sport-Club stets mit jeder Faser verkörpert hat. Der Sohn eines Metzgers, der eine Lehre als Industriekaufmann abgeschlossen und später noch Germanistik, Sport und Geschichte auf Lehramt studiert hat, ist bodenständig, emotional und authentisch. Nicht nur so mancher Südbadener würde vermutlich sagen: Einer von uns.

Streichs Interviews und Pressekonferenzen sind mitunter so legendär wie seine emotionalen Ausbrüche an der Seitenlinie. Für viele Fans ist er aber auch eine Art gutes Gewissen der zunehmend kommerzialisierten Fußball-Branche. Da er zu politischen und gesellschaftlichen Themen häufig klar Stellung bezieht, genießt Streich auch über den Sport hinaus große Popularität. Er wurde mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet und dem Julius-Hirsch-Ehrenpreis des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), der Menschen würdigt, die sich aktiv gegen Diskriminierung und für Verständigung einsetzen.

„Ich habe lange überlegt. Wir haben lange gesprochen“, kommentierte der 58-Jährige den nahenden Abschied. Dass er ihn über ein vom Verein verbreitetes Video verkündete, diente womöglich auch dem Selbstschutz. In einem anderen Rahmen hätte er vielleicht eine Träne verdrückt. Er sei dankbar für die vielen Erlebnisse, die er mit dem SC hatte. Nicht nur in den mehr als zwölf Jahren, die er inzwischen Chefcoach der Profis ist. Zuvor war er viele Jahre Jugendtrainer der Badener - und eine der zentralen Figuren ihrer starken Nachwuchsarbeit.

„Es war mir immer sehr, sehr wichtig, dass ich den Zeitpunkt nicht verpassen wollte, in dem ich glaube, dass es Zeit ist zu gehen“, sagte Streich. Er sei „außergewöhnlich dankbar für die große Unterstützung und Zuneigung, die ich immer erfahren habe.“ Es brauche nun aber „neue Energie“ im Verein und in der Profimannschaft.

„Wir waren in den vergangenen Wochen in einem intensiven, sehr vertrauensvollen und emotionalen Gedankenaustausch mit Christian - an dessen Ende eine Entscheidung steht, die wir bedauern, aber in vollem Maße respektieren und nachvollziehen können“, sagte SC-Sportvorstand Jochen Saier. Der Zeitpunkt, Streich final zu würdigen, sei aber noch nicht gekommen. Die „gemeinsame Reise“ sei ja noch nicht ganz zu Ende



Spieler hofften auf verbleib

Rund um das Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (2:3) hatte Streich noch alle Fragen zu seiner Zukunft abgeblockt. Auch die Spieler hatten sich zurückhaltend geäußert. Kapitän Christian Günter, genau wie Mittelfeldmann Nicolas Höfler einer von Streichs langjährigen Weggefährten beim SC, hatte zumindest leise „Hoffnung, dass er weitermacht.“ Streich sei schließlich ein „herausragender Trainer“, so der Abwehrspieler.

Doch letztlich war es keine große Überraschung mehr, dass Streich nun den Schlussstrich zieht. Die Arbeit als Cheftrainer und in der Öffentlichkeit kostete ihn viel Kraft - in der laufenden Saison, in der die Freiburger mit vielen Verletzungssorgen zu kämpfen haben, womöglich besonders. Dass sich die bodenständigen Badener in den vergangenen Jahren immer mehr der nationalen Spitze angenähert haben, ist auch ein Verdienst von Streich.

In der Winterpause der Spielzeit 2011/2012 hatte er die SC-Profis übernommen. Von den aktuellen Bundesliga-Trainern ist nur Frank Schmidt vom 1. FC Heidenheim noch länger ohne Unterbrechung bei seinem Verein im Amt. Streich führte den SC zweimal ins Achtelfinale der Europa League und vor zwei Jahren ins Endspiel des DFB-Pokals, stieg 2015 aber auch einmal mit ihm ab. Der Verein hielt damals jedoch an ihm fest und stieg sofort wieder auf.

Acht Bundesliga-Spiele bleiben noch, dann beginnt in Freiburg eine neue Zeitrechnung. Streich wird versuchen, den Tabellenneunten noch einmal in den Europapokal zu führen. Der frühere SC-Kapitän Schuster, derzeit Verbindungsmann zwischen Profis und Nachwuchs, gilt als möglicher Nachfolgekandidat. Vielleicht wird auch Thomas Stamm, aktuell Coach der Freiburger Drittliga-Mannschaft befördert.

Die Lücke, die es zu schließen gilt, ist riesig. Das war nach Volker Finke, der den SC von 1991 bis 2007 trainiert hat, schon mal so. Auch da fragten sich viele, ob es so ein langfristiges Erfolgsmodell jemals wieder geben wird. Wenige Jahre später begann die Ära Streich.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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