Wie kosmische Strahlung in Bauwerke blicken lässt
Ob Vulkane, die Cheops-Pyramide, Brücken oder Gletscher: Myonen kriechen durch alles hindurch. Mit speziellen Detektoren erlauben sie dem Mensch einen Blick ins Innere der Bauwerke. Ein Forscherteam aus Deutschland will jetzt noch einen Schritt weitergehen.
Ununterbrochen regnet sie auf den Menschen herab. Durch den Körper fließt sie einfach hindurch. Die kosmische Strahlung. Fühlen und Sehen kann man sie nicht. Sie kommt weit her von der Sonne, der Milchstraße und fernen Galaxien. In der sogenannten Teilchenstrahlung sind vor allem Elektronen, Protonen und Atome unterwegs. Daneben gibt es noch eine sekundäre kosmische Strahlung, die auf der Erdoberfläche nachweisbar ist. In ihr befinden sich sogenannte Myonen. „Auf Meeresspiegelhöhe treffen circa 160 Myonen pro Sekunde und Quadratmeter auf die Erdoberfläche“, erklärt Professor Uwe Hampel, Forscher am Helmholtz Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR), unserer Redaktion. Diese Teilchen sind in der Lage Metall und Gestein zu durchdringen, zum Teil kilometerlang. Sie können also Dinge sehen, die sonst keiner sieht. Und genau das machte sich der Mensch zunutze.
Erstmals entdeckten Forscher die Teilchen in den 30er Jahren. 1955 kam in Australien zum ersten Mal ein sogenannter Myonen-Detektor zum Einsatz. Der Apparat erlaubt es, Gemäuer zu durchleuchten und durch die Bewegungen der Teilchen ein dreidimensionales Bild des Inneren zu erschaffen. In Australien wurde mit dieser Methode damals die Gebirgsdicke über einem Tunnel gemessen. „Bei sehr großen Objekten werden die Detektoren nur neben oder unter dem Objekt angebracht“, so Hampel. Bei kleineren Objekten bringt man Detektoren unten und oben an. „Dies erlaubt sogar eine dreidimensionale Volumenrekonstruktion bei ausreichend langer Messzeit.“
Myonen enthüllen geheime Kammern in Cheops-Pyramide
Der bisher bekannteste Myonen-Einsatz war wohl 2017 an der Cheops-Pyramide in Ägypten. Über drei Monate scannte ein Myonen-Detektor das Innere der Pyramide und erstellte ein 3D-Bild. Die Wissenschaftler erwarteten eigentlich nur die Königskammer sowie die große Galerie zu sehen, also die beiden bekannten „Räume“. Das Bild enthüllte jedoch einen weiteren Hohlraum. Eine regelrechte Sensation für die Archäologen. Erst im März diesen Jahres, also rund sechs Jahr nach der Entdeckung, erfuhren die Wissenschaftler mehr über die geheime Kammer. Wie die Technische Universität in München (TUM) damals berichtete, konnte mit Hilfe eines Endoskops ein Foto des Innern gemacht werden. Da keine Fußspuren oder ähnliche Hinweise, die auf menschliche Aktivität hindeuten würden, zu sehen waren, geht man davon aus, dass die Kammer lediglich zur Entlastung des Gesteins dient.
Ein weiterer archäologischer Fund konnte erst in diesem Jahr durch die Myonen-Teilchen entdeckt werden. Forscher durchsuchten in der italienischen Metropole Neapel zehn Meter unter der Stadt eine griechische Nekropole mit dem Myonen-Detektor. Mehrere Wochen dauerte das Erstellen des 3D-Bildes, wie es im Bericht des italienisch-japanischen Forschungsteams der Universität Federico II heißt. Und siehe da: Die Forscher enthüllen eine bisher unbekannte Grabkammer.
Gletscher, Vulkane und Co.
Aber nicht nur in der Archäologie bewirken die Myonen regelrechte Wunder. Sie sind auch in anderen Bereichen nützlich. Vulkane untersuchen Forscher mithilfe der Teilchenstrahlung seit einigen Jahren ebenfalls. Sie können so die Dichte der Vulkane bestimmen. Damit kann zwar kein Ausbruch vorhergesagt werden, allerdings gibt das gewonnene Bild Aufschluss darüber, wie sich eine Eruption entwickeln könnte und wo in der Nähe des Vulkans es am gefährlichsten ist.
Nicht nur Stein durchdringen Myonen, sondern auch Eis. So haben Wissenschaftler aus der Schweiz den Aletschgletscher untersucht und feststellen können, wie sich das Gestein unter dem Eis durch mögliche Gletscherschmelze entwickelt. So kann rechtzeitig für notwendige Stabilisierung gesorgt werden.
Erst vor wenigen Monaten gelang den Forschern der Universität Paris-Saclay erstmals, das Innere eines Atomreaktors mithilfe von 3D-Myonen-Scans sichtbar zu machen. In Zukunft könnte die Myonen-Tomographie also beim Rückbau von Atomkraftwerken eine große Hilfe sein.
Deutsches Forschungsteam will mehr
Ein ganz ähnliches Ziel verfolgen auch Hampel und sein Team am HDZR. Sie sind dabei einen Myonen-Detektor zu entwickeln, der in Deutschland vielseitig genuzt werden soll. Zum einen soll er zur Kontrolle von sogenannten Castor-Behältern eingesetzt werden, mit welchen hochradioaktive Materialien transportiert und aufgebwahrt werden (siehe Abbildung).
Außerdem sollen die neuen Detektoren im Brückenmanagement eingesetzt werden. Jede zehnte Brücke weist laut Bundesamt für Straßenwesen in Deutschland gravierende Mängel auf. Durch die Myonen-Detektoren könnte überprüft werden, wie marode die Bauteile bereits sind.
Das Problem bei den heutigen Myonen-Detektoren: Sie sind empfindlich und sehr teuer. Der Myonen-Detektor von Hampel und seinem Team soll daher kostengünstig und stabiler werden. „Es existieren bereits Prototypen, die bei kleinen Laborexperimenten eingesetzt werden um die prinzipielle Funktionsweise nachzuweisen“, verrät der Wissenschaftler. Größere Experimente strebt das Team für die nächsten zwei Jahre an. Die Vision: „Wir wollen langfristig die Kosten für Sensoren und Messtechnik so weit senken, dass eine stationäre Langzeit-Überwachung möglich wird.“ Also dass Brücken oder Castor-Behälter konstant überwacht werden können.
Seit Anfang Juli läuft die Forschung, die Helmholtz-Gemeinschaft fördert das Vorhaben mit einer halben Million Euro. Und auch in weiteren Bereichen könnten sich die Forscher einen Einsatz von der nichtinvasiven Myonen-Tomographie vorstellen. Hampel ist sich sicher: „Wir gehen davon aus, dass in Zukunft diese Technologie noch weit öfter eingesetzt wird als heute.“
Erstmals entdeckten Forscher die Teilchen in den 30er Jahren. 1955 kam in Australien zum ersten Mal ein sogenannter Myonen-Detektor zum Einsatz. Der Apparat erlaubt es, Gemäuer zu durchleuchten und durch die Bewegungen der Teilchen ein dreidimensionales Bild des Inneren zu erschaffen. In Australien wurde mit dieser Methode damals die Gebirgsdicke über einem Tunnel gemessen. „Bei sehr großen Objekten werden die Detektoren nur neben oder unter dem Objekt angebracht“, so Hampel. Bei kleineren Objekten bringt man Detektoren unten und oben an. „Dies erlaubt sogar eine dreidimensionale Volumenrekonstruktion bei ausreichend langer Messzeit.“
Myonen enthüllen geheime Kammern in Cheops-Pyramide
Der bisher bekannteste Myonen-Einsatz war wohl 2017 an der Cheops-Pyramide in Ägypten. Über drei Monate scannte ein Myonen-Detektor das Innere der Pyramide und erstellte ein 3D-Bild. Die Wissenschaftler erwarteten eigentlich nur die Königskammer sowie die große Galerie zu sehen, also die beiden bekannten „Räume“. Das Bild enthüllte jedoch einen weiteren Hohlraum. Eine regelrechte Sensation für die Archäologen. Erst im März diesen Jahres, also rund sechs Jahr nach der Entdeckung, erfuhren die Wissenschaftler mehr über die geheime Kammer. Wie die Technische Universität in München (TUM) damals berichtete, konnte mit Hilfe eines Endoskops ein Foto des Innern gemacht werden. Da keine Fußspuren oder ähnliche Hinweise, die auf menschliche Aktivität hindeuten würden, zu sehen waren, geht man davon aus, dass die Kammer lediglich zur Entlastung des Gesteins dient.
Ein weiterer archäologischer Fund konnte erst in diesem Jahr durch die Myonen-Teilchen entdeckt werden. Forscher durchsuchten in der italienischen Metropole Neapel zehn Meter unter der Stadt eine griechische Nekropole mit dem Myonen-Detektor. Mehrere Wochen dauerte das Erstellen des 3D-Bildes, wie es im Bericht des italienisch-japanischen Forschungsteams der Universität Federico II heißt. Und siehe da: Die Forscher enthüllen eine bisher unbekannte Grabkammer.
Gletscher, Vulkane und Co.
Aber nicht nur in der Archäologie bewirken die Myonen regelrechte Wunder. Sie sind auch in anderen Bereichen nützlich. Vulkane untersuchen Forscher mithilfe der Teilchenstrahlung seit einigen Jahren ebenfalls. Sie können so die Dichte der Vulkane bestimmen. Damit kann zwar kein Ausbruch vorhergesagt werden, allerdings gibt das gewonnene Bild Aufschluss darüber, wie sich eine Eruption entwickeln könnte und wo in der Nähe des Vulkans es am gefährlichsten ist.
Nicht nur Stein durchdringen Myonen, sondern auch Eis. So haben Wissenschaftler aus der Schweiz den Aletschgletscher untersucht und feststellen können, wie sich das Gestein unter dem Eis durch mögliche Gletscherschmelze entwickelt. So kann rechtzeitig für notwendige Stabilisierung gesorgt werden.
Erst vor wenigen Monaten gelang den Forschern der Universität Paris-Saclay erstmals, das Innere eines Atomreaktors mithilfe von 3D-Myonen-Scans sichtbar zu machen. In Zukunft könnte die Myonen-Tomographie also beim Rückbau von Atomkraftwerken eine große Hilfe sein.
Deutsches Forschungsteam will mehr
Ein ganz ähnliches Ziel verfolgen auch Hampel und sein Team am HDZR. Sie sind dabei einen Myonen-Detektor zu entwickeln, der in Deutschland vielseitig genuzt werden soll. Zum einen soll er zur Kontrolle von sogenannten Castor-Behältern eingesetzt werden, mit welchen hochradioaktive Materialien transportiert und aufgebwahrt werden (siehe Abbildung).
Außerdem sollen die neuen Detektoren im Brückenmanagement eingesetzt werden. Jede zehnte Brücke weist laut Bundesamt für Straßenwesen in Deutschland gravierende Mängel auf. Durch die Myonen-Detektoren könnte überprüft werden, wie marode die Bauteile bereits sind.
Das Problem bei den heutigen Myonen-Detektoren: Sie sind empfindlich und sehr teuer. Der Myonen-Detektor von Hampel und seinem Team soll daher kostengünstig und stabiler werden. „Es existieren bereits Prototypen, die bei kleinen Laborexperimenten eingesetzt werden um die prinzipielle Funktionsweise nachzuweisen“, verrät der Wissenschaftler. Größere Experimente strebt das Team für die nächsten zwei Jahre an. Die Vision: „Wir wollen langfristig die Kosten für Sensoren und Messtechnik so weit senken, dass eine stationäre Langzeit-Überwachung möglich wird.“ Also dass Brücken oder Castor-Behälter konstant überwacht werden können.
Seit Anfang Juli läuft die Forschung, die Helmholtz-Gemeinschaft fördert das Vorhaben mit einer halben Million Euro. Und auch in weiteren Bereichen könnten sich die Forscher einen Einsatz von der nichtinvasiven Myonen-Tomographie vorstellen. Hampel ist sich sicher: „Wir gehen davon aus, dass in Zukunft diese Technologie noch weit öfter eingesetzt wird als heute.“
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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