Material in Dämmen
Sedimente lassen Speicherkapazität sinken
Flüsse füllen Stauseen mit Wasser. Sie bringen aber auch Material mit, das die Becken nach und nach füllt. Forscher der Vereinten Nationen haben errechnet, wie sehr das die weltweite Speicherkapazität schwinden lässt.
Von Oliwia Nowakowska, dpa
Hamilton
Durch den Eintrag von Sedimenten drohen große Staudämme weltweit einer UN-Studie zufolge bis 2050 im Mittel rund ein Viertel ihrer ursprünglichen Speicherkapazität zu verlieren. Der geschätzte Verlust gegenüber der ursprünglichen Kapazität summiere sich bei den rund 50 000 berücksichtigten Anlagen auf 1,65 Billionen Kubikmeter, was in etwa dem jährlichen Wasserverbrauch von Indien, China, Indonesien, Frankreich und Kanada zusammen entspreche, teilte die Universität der Vereinten Nationen mit. Das Ausmaß der Verluste sei beunruhigend, zumal die Welt bereits mit einer Reihe weiterer Wasserversorgungsprobleme konfrontiert sei.
Staudämme schränken den natürlichen Sedimenttransport der Flüsse ein. Durch die abgelagerten Sedimente verlanden viele Stauseen nach und nach, zudem drohen flussaufwärts verstärkt Überschwemmungen sowie flussabwärts verstärkt Erosion. Der Eintrag in die Speicherbecken sei zu einer der bedeutendsten Herausforderungen für die weltweite Wasserspeicher-Infrastruktur geworden, berichtet das Team um Duminda Perera vom Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der United Nations University (UNU-INWEH) in Hamilton (Kanada).
Kein Ausgleich durch Neubau
„Der Rückgang der verfügbaren Speicherkapazität bis 2050 in allen Ländern und Regionen wird viele Aspekte der Volkswirtschaften in Frage stellen, darunter die Bewässerung, die Stromerzeugung und die Wasserversorgung“, sagte Perera. „Die neuen Dämme, die derzeit gebaut werden oder geplant sind, werden die durch Sedimentation verursachten Speicherverluste nicht ausgleichen.“ Ein schleichendes globales Wasserproblem mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen drohe.
In Asien zum Beispiel, wo 60 Prozent der Weltbevölkerung leben, ist die Wasserspeicherung von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der Wasser- und Ernährungssicherheit, wie es in der UN-Analyse heißt. Die Lage werde schwieriger, wenn dort rund 23 Prozent der Wasserspeicher in großen Staudämmen aufgrund von Sedimentation verloren gingen.
Probleme für Flora und Fauna
Die Ablagerung von Sedimenten etwa in Stauseen bringe aber nicht nur Probleme in der Wasser- und Energieversorgung mit sich, berichtete Theresa Schiller, Referentin für internationale Wasserressourcen der Umweltstiftung WWF Deutschland. Demnach spielten Sedimente etwa eine zentrale Rolle dafür, welche Form ein Fluss auf seinem Weg von der Quelle bis zum Meer annimmt. Zudem wirkten Sedimente bei der natürlichen Überflutung von Ufern als Dünger. „Bleibt der Sedimenttransport aus, kann das dazu führen, dass sich Flüsse tiefer ins Bett eingraben und Uferregionen stärker unter Trockenheit leiden“, so Schiller. Außerdem fehlten dann für viele Ökosysteme und die Landwirtschaft wichtige Nährstoffe.
Ein Viertel bereits verloren
Der im Fachjournal „Sustainability“ vorgestellten Studie zufolge liegt Deutschland auf Platz 6 der 42 betrachteten europäischen Länder. Stauseen hierzulande haben demnach bereits rund 24 Prozent ihres ursprünglichen Fassungsvermögens verloren. Bis 2050 können der Verlust auf fast 35 Prozent steigen. In Irland liegt der Schwund durch eingelagertes Sediment der Analyse zufolge schon jetzt bei fast 30 Prozent, im Jahr 2050 könnten es fast 40 Prozent sein. In Dänemark hingegen betrage der Speicherverlust gegenwärtig rund 10 Prozent, bis 2050 rund 20 Prozent.
Großbritannien, Panama, Irland, Japan und die Seychellen verzeichnen den Forschern um Perera zufolge bis 2050 weltweit die höchsten Verluste bei der Wasserspeicherung: zwischen 35 und 50 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. Staubecken in Ländern wie Bhutan, Kambodscha, Mongolei, Äthiopien, Guinea und Niger hingegen seien vorerst kaum betroffen, weil die Dämme dort meist noch relativ jung seien. Japans Dämme zum Beispiel seien im Mittel mehr als 100 Jahre alt, die der Mongolei durchschnittlich zwölf Jahre.
Die Forscher um Perera hatten aus Schätzungen der Verlandungsraten den wahrscheinlichen Verlust an Speicherkapazität für mehr als 47 400 große Staubecken in 150 Ländern für die Jahre 2022, 2030 und 2050 errechnet. Gut 28 000 der Bauwerke liegen im asiatisch-pazifischen Raum, rund 2300 in Afrika, etwa 6700 in Europa und 10 400 in Amerika. Als „groß“ wurden Staudämme definiert, die mehr 15 Meter hoch sind oder die bei 5 bis 15 Meter Höhe ein Fassungsvermögen von mehr als 3 Millionen Kubikmetern besitzen.
Separate Kanäle als Unterstützung
Die ursprüngliche globale Speicherkapazität von rund 6300 Milliarden Kubikmeter der berücksichtigten Bauwerke wird demnach bis 2050 auf geschätzt etwa 4670 Milliarden Kubikmeter sinken. Zu den möglichen Maßnahmen dagegen zählen die UN-Forscher sogenannte Bypässe. Das sind separate Kanäle, über die vor allem bei Hochwasserereignissen - bei denen es oft zu besonders hohem Sedimenteintrag kommt - Wasser direkt flussabwärts geleitet wird. Bei optimalem Betrieb könnten Bypass-Tunnel die Sedimentation um bis zu 90 Prozent reduzieren, wie frühere Studien gezeigt hätten.
Eine Alternative sei das Erhöhen des Damms, um den Speicherverlust auszugleichen, erläutern die Wissenschaftler. Allerdings werde dadurch die Fläche des Stausees vergrößert, was Folgen für angrenzende Lebensräume haben könne. Möglich seien auch kostspielige Ausbaggerungen oder Sedimentspülungen, die aber erhebliche negative Auswirkungen auf flussabwärts gelegene Gebiete haben könnten.
Hamilton
Durch den Eintrag von Sedimenten drohen große Staudämme weltweit einer UN-Studie zufolge bis 2050 im Mittel rund ein Viertel ihrer ursprünglichen Speicherkapazität zu verlieren. Der geschätzte Verlust gegenüber der ursprünglichen Kapazität summiere sich bei den rund 50 000 berücksichtigten Anlagen auf 1,65 Billionen Kubikmeter, was in etwa dem jährlichen Wasserverbrauch von Indien, China, Indonesien, Frankreich und Kanada zusammen entspreche, teilte die Universität der Vereinten Nationen mit. Das Ausmaß der Verluste sei beunruhigend, zumal die Welt bereits mit einer Reihe weiterer Wasserversorgungsprobleme konfrontiert sei.
Staudämme schränken den natürlichen Sedimenttransport der Flüsse ein. Durch die abgelagerten Sedimente verlanden viele Stauseen nach und nach, zudem drohen flussaufwärts verstärkt Überschwemmungen sowie flussabwärts verstärkt Erosion. Der Eintrag in die Speicherbecken sei zu einer der bedeutendsten Herausforderungen für die weltweite Wasserspeicher-Infrastruktur geworden, berichtet das Team um Duminda Perera vom Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der United Nations University (UNU-INWEH) in Hamilton (Kanada).
Kein Ausgleich durch Neubau
„Der Rückgang der verfügbaren Speicherkapazität bis 2050 in allen Ländern und Regionen wird viele Aspekte der Volkswirtschaften in Frage stellen, darunter die Bewässerung, die Stromerzeugung und die Wasserversorgung“, sagte Perera. „Die neuen Dämme, die derzeit gebaut werden oder geplant sind, werden die durch Sedimentation verursachten Speicherverluste nicht ausgleichen.“ Ein schleichendes globales Wasserproblem mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen drohe.
In Asien zum Beispiel, wo 60 Prozent der Weltbevölkerung leben, ist die Wasserspeicherung von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der Wasser- und Ernährungssicherheit, wie es in der UN-Analyse heißt. Die Lage werde schwieriger, wenn dort rund 23 Prozent der Wasserspeicher in großen Staudämmen aufgrund von Sedimentation verloren gingen.
Probleme für Flora und Fauna
Die Ablagerung von Sedimenten etwa in Stauseen bringe aber nicht nur Probleme in der Wasser- und Energieversorgung mit sich, berichtete Theresa Schiller, Referentin für internationale Wasserressourcen der Umweltstiftung WWF Deutschland. Demnach spielten Sedimente etwa eine zentrale Rolle dafür, welche Form ein Fluss auf seinem Weg von der Quelle bis zum Meer annimmt. Zudem wirkten Sedimente bei der natürlichen Überflutung von Ufern als Dünger. „Bleibt der Sedimenttransport aus, kann das dazu führen, dass sich Flüsse tiefer ins Bett eingraben und Uferregionen stärker unter Trockenheit leiden“, so Schiller. Außerdem fehlten dann für viele Ökosysteme und die Landwirtschaft wichtige Nährstoffe.
Ein Viertel bereits verloren
Der im Fachjournal „Sustainability“ vorgestellten Studie zufolge liegt Deutschland auf Platz 6 der 42 betrachteten europäischen Länder. Stauseen hierzulande haben demnach bereits rund 24 Prozent ihres ursprünglichen Fassungsvermögens verloren. Bis 2050 können der Verlust auf fast 35 Prozent steigen. In Irland liegt der Schwund durch eingelagertes Sediment der Analyse zufolge schon jetzt bei fast 30 Prozent, im Jahr 2050 könnten es fast 40 Prozent sein. In Dänemark hingegen betrage der Speicherverlust gegenwärtig rund 10 Prozent, bis 2050 rund 20 Prozent.
Großbritannien, Panama, Irland, Japan und die Seychellen verzeichnen den Forschern um Perera zufolge bis 2050 weltweit die höchsten Verluste bei der Wasserspeicherung: zwischen 35 und 50 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. Staubecken in Ländern wie Bhutan, Kambodscha, Mongolei, Äthiopien, Guinea und Niger hingegen seien vorerst kaum betroffen, weil die Dämme dort meist noch relativ jung seien. Japans Dämme zum Beispiel seien im Mittel mehr als 100 Jahre alt, die der Mongolei durchschnittlich zwölf Jahre.
Die Forscher um Perera hatten aus Schätzungen der Verlandungsraten den wahrscheinlichen Verlust an Speicherkapazität für mehr als 47 400 große Staubecken in 150 Ländern für die Jahre 2022, 2030 und 2050 errechnet. Gut 28 000 der Bauwerke liegen im asiatisch-pazifischen Raum, rund 2300 in Afrika, etwa 6700 in Europa und 10 400 in Amerika. Als „groß“ wurden Staudämme definiert, die mehr 15 Meter hoch sind oder die bei 5 bis 15 Meter Höhe ein Fassungsvermögen von mehr als 3 Millionen Kubikmetern besitzen.
Separate Kanäle als Unterstützung
Die ursprüngliche globale Speicherkapazität von rund 6300 Milliarden Kubikmeter der berücksichtigten Bauwerke wird demnach bis 2050 auf geschätzt etwa 4670 Milliarden Kubikmeter sinken. Zu den möglichen Maßnahmen dagegen zählen die UN-Forscher sogenannte Bypässe. Das sind separate Kanäle, über die vor allem bei Hochwasserereignissen - bei denen es oft zu besonders hohem Sedimenteintrag kommt - Wasser direkt flussabwärts geleitet wird. Bei optimalem Betrieb könnten Bypass-Tunnel die Sedimentation um bis zu 90 Prozent reduzieren, wie frühere Studien gezeigt hätten.
Eine Alternative sei das Erhöhen des Damms, um den Speicherverlust auszugleichen, erläutern die Wissenschaftler. Allerdings werde dadurch die Fläche des Stausees vergrößert, was Folgen für angrenzende Lebensräume haben könne. Möglich seien auch kostspielige Ausbaggerungen oder Sedimentspülungen, die aber erhebliche negative Auswirkungen auf flussabwärts gelegene Gebiete haben könnten.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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