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Ein Grönlandhai nahe der Oberfläche, nachdem er vom Forschungsschiff Sanna in Nordgrönland ausgesetzt wurde. Foto: Julius Nielsen, dpa
Ein Grönlandhai nahe der Oberfläche, nachdem er vom Forschungsschiff Sanna in Nordgrönland ausgesetzt wurde. Foto: Julius Nielsen, dpa

Rätsel Grönlandhai

400 Jahre Leben dank perfekter DNA-Werkstatt
Älter als ein Grönlandhai kann nach derzeitiger Kenntnis kein Wirbeltier werden. Forscher haben eine Vermutung, warum die urtümlichen Riesenfische zu Methusalems werden.
dpa
Von Annett Stein,dpa

Jena

Der Grönlandhai ist das langlebigste Wirbeltier der Welt. Etwa 400 Jahre alt können die in tiefen Bereichen des Nordatlantiks und des Arktischen Ozeans lebenden Fische werden, womöglich noch deutlich älter. Eine Analyse des Erbguts legt nahe, dass eine verbesserte DNA-Reparatur eine wichtige Rolle für die extreme Langlebigkeit spielen könnte.

Solche Erkenntnisse können helfen, allgemeine Mechanismen der Langlebigkeit besser zu verstehen, wie die Forscher hoffen. Die Natur hat Lebewesen sehr unterschiedliche Höchstalter zugedacht. Unter Kiefern zum Beispiel gibt es ein fast 5 000 Jahre altes Exemplar, Methuselah genannt. Die langlebigsten Landsäugetiere sind Menschen: Den Altersrekord hält die Französin Jeanne Louise Calment, die am 4. August 1997 im Alter von 122 Jahren und 164 Tagen starb.

Die Studie des Teams um den Bioinformatiker Steve Hoffmann vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena ist bisher noch nicht in einem Fachjournal erschienen, wurde also noch nicht unabhängig geprüft. Die Entzifferung des Genoms war den Forschern zufolge allein der Größe wegen eine Herausforderung: Mit fast 6,5 Milliarden Basenpaaren sei der genetische Code des Grönlandhais doppelt so lang wie der des Menschen und das umfangreichste aller zurzeit bekannten Hai-Genome.

Generell seien bisher erst wenige Tiere mit noch größerem Genom bekannt, Axolotl und Lungenfisch zum Beispiel, hieß es. Ebenso wie bei diesen Arten ist die enorme Größe des Grönlandhai-Erbguts demnach in erster Linie auf sich wiederholende Elemente zurückzuführen, transponierbare Elemente oder auch springende Gene genannt. Sie machen mehr als 70 Prozent des Genoms von Grönlandhaien aus, wie es in der Studie heißt.

Schädlich gleich gut

Erstaunlich sei das deshalb, weil ein hoher Anteil solcher Elemente eigentlich als schädlich für den Organismus angesehen werde - im Fall des Grönlandhais scheine das aber nicht so zu sein. Im Gegenteil sei zu vermuten, dass die Aktivität transponierbarer Elemente zur extremen Langlebigkeit beigetragen haben könnte. Womöglich nutzen zum Beispiel Gene, die an der Reparatur von DNA-Schäden beteiligt sind, die Maschinerie der Elemente.

„In jeder unserer Zellen wird die DNA täglich tausende Male beschädigt und spezialisierte molekulare Mechanismen reparieren sie ständig“, erklärte Mitautor Alessandro Cellerino vom FLI. Die Ergebnisse beim Grönlandhai seien ein weiterer Hinweis darauf, dass die DNA-Reparatur ein allgemeiner Mechanismus sein könnte, der der Evolution außergewöhnliche Langlebigkeit zugrunde legt, so das Fazit der Forscher.

Dass Grönlandhaie 400 Jahre alt werden können, hatte eine Forschergruppe um Julius Nielsen von der Universität Kopenhagen schon 2016 in der Fachzeitschrift „Science“ berichtet. Ihre Geschlechtsreife erreichen diese Haie demnach erst nach etwa 150 Jahren. Die Tiere können mehr als fünf Meter lang werden, wachsen aber sehr langsam.

Haie sind entwicklungsgeschichtlich sehr alt. Sie bevölkern die Weltmeere seit etwa 400 bis 500 Millionen Jahren; ihr grundsätzliches Erscheinungsbild hat sich in dieser enormen Zeitspanne kaum verändert. Haie werden spät geschlechtsreif, haben einen langsamen Stoffwechsel, werden sehr alt und haben wenige Nachkommen. Überfischung, Lebensraumverlust und Klimawandel verursachen einen Rückgang der Bestände vieler Haiarten.

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-12-26

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