„Steuern auf Katastrophe zu“
Plünderung der Weltmeere wird größer
Dass den Weltmeeren der Kollaps droht, weiß man nicht erst seit gestern. Deshalb gibt es Tagungen wie die UN-Ozeankonferenz, die gerade in Lissabon stattfindet. Mitten in der Versammlung kam aber eine neue Hiobsbotschaft: Die Plünderung des Ökosystems nahm zuletzt weiter rapide zu.
Von Emilio Rappold, dpa
Lissabon
Umweltschützer sind bestürzt, Kleinfischer traurig und empört: Trotz aller Warnrufe nimmt die rücksichtslose Plünderung der Weltmeere weiterhin rapide zu. Bereits 35,4 Prozent aller Fischbestände wurden nach jüngsten Zahlen von 2019 nicht nachhaltig gefangen, waren also überfischt, wie aus dem Jahresbericht der Welternährungsorganisation FAO hervorgeht, der am Mittwoch auf der zweiten Ozeankonferenz der Vereinten Nationen in Lissabon präsentiert wurde. Das seien 1,2 Prozentpunkte über dem Wert von 2017, dem Jahr der ersten Ozeankonferenz in New York, sagte Karoline Schacht von der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland der Deutschen Presse-Agentur.
Fischerei-Expertin Schacht warnt: „Ohne Richtungswechsel steuern wir weiter auf eine ökologische Katastrophe zu.“ In einer WWF-Mitteilung erklärte sie, die Entwicklung sei „fatal für die Ernährungssicherheit von mehreren Milliarden Menschen“ und müsse als „schrilles Warnsignal verstanden werden“.
Die steigende Nachfrage einer wachsenden Weltbevölkerung treffe auf überfischte und schrumpfende Fischbestände. Der WWF fordert daher wirksame Fischerei-Kontrollen, nachhaltige Fangmengen, ein Verbot zerstörerischer Fangpraktiken und ein ökosystembasiertes Fischereimanagement, um Überfischung und Artensterben zu stoppen.
Nicht nur Umweltschützer sind empört und entgeistert. Kleinfischer Oscar aus Costa Rica, der in Lissabon auf die Probleme seiner Zunft aufgrund der Überfischung weiter Küstengewässer durch ausländische Riesenfangflotten aufmerksam machen will, zeigte sich „traurig“. „Das ist, als würde man in der Wüste rufen“, sagte der „Sohn, Enkel und Urenkel von Kleinfischern“ der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse jedes Jahr immer weiter rausfahren, um Fische zu finden.
Laut FAO kletterte die gesamte Nutzung von Wassertieren und Algen nach den jüngsten vorliegenden Zahlen von 2020 auf den Rekordwert von 214 Millionen Tonnen, davon sind 178 Millionen Tonnen Tiere. Das seien bei letzteren im Schnitt 30 Prozent mehr als in den 2000er Jahren sowie 60 Prozent mehr als in den 1990er Jahren. In den Zahlen sind Fänge und Aquakultur aus Meer- und Süßwasser zusammengefasst. Gefangen wurden demnach 90 Millionen Tonnen Wassertiere, aus Aquakultur kamen 88 Millionen Tonnen.
FAO-Generalsekretär Qu Dongyu erklärte, das Wachstum der Fischerei und der Aquakultur seien zwar für die Beendigung von Hunger und Unterernährung auf der Welt von entscheidender Bedeutung. Aber eine Umgestaltung des Sektors sei nötig. Man müsse sicherstellen, dass Lebensmittel aus dem Wasser nachhaltig gefischt würden, der Lebensunterhalt der Fischer gesichert werde und die aquatischen Lebensräume und die biologische Vielfalt geschützt würden, betonte er.
Dass die Warnungen und Forderungen irgendwann wirklich erhört werden, hoffen die Hunderten von Kleinfischern aus mehr als 30 Ländern Lateinamerikas, Afrikas, Asiens und Europas, die nach eigenen Angaben insgesamt 500 Millionen Menschen weltweit mit „gesundem Fisch“ ernähren - wie Fischer Oscar hervorhebt - und die den teils langen und beschwerlichen Weg nach Lissabon auf sich genommen haben, um Alarm zu schlagen und Mitspracherecht zu fordern. Wie Martilene Rodrigues aus dem brasilianischen Bundesstaat Ceará im entlegenen Nordosten des Landes, die kein Hehl aus ihrer Wut macht.
„Wir verlieren unsere Mangrovenwälder, unsere Strände, unsere Flüsse verlanden, unser Fischereigebiet wird völlig zerstört. Wir kämpfen dafür, dass wir nicht verlieren, was wir noch haben, und dass wir das zurückgewinnen, was wir verloren haben“, erzählt die kämpferische Frau, die jeden Tag mit ihrem kleinen Segelboot aufs Meer fährt, um Meeresfrüchte und Fische zu fangen. Es gehe nicht „nur“ um Lebensunterhalt, Umwelt und Ernährung, sagt sie, „sondern auch um den Erhalt von Kultur und Tradition“.
Die Weltmeere werden derweil nicht nur von Überfischung bedroht. Sie werden auch zunehmend von Vermüllung vor allem mit Plastik, von dem von Menschen verursachten Klimawandel und von Versauerung in Mitleidenschaft gezogen. Knapp 30 Staats- und Regierungschefs, weitere Politiker sowie Wissenschaftler, Aktivisten und Vertreter von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen diskutieren deshalb in Portugals Hauptstadt bis Freitag darüber, wie die Ressourcen des überlebenswichtigen Ökosystems besser geschützt und möglichst nachhaltig genutzt werden können. Bundesumweltministerin Steffi Lemke wollte am Mittwochabend nach Lissabon fliegen. Auch sie forderte, man müsse endlich „vom Reden ins Handeln kommen“.
Lissabon
Umweltschützer sind bestürzt, Kleinfischer traurig und empört: Trotz aller Warnrufe nimmt die rücksichtslose Plünderung der Weltmeere weiterhin rapide zu. Bereits 35,4 Prozent aller Fischbestände wurden nach jüngsten Zahlen von 2019 nicht nachhaltig gefangen, waren also überfischt, wie aus dem Jahresbericht der Welternährungsorganisation FAO hervorgeht, der am Mittwoch auf der zweiten Ozeankonferenz der Vereinten Nationen in Lissabon präsentiert wurde. Das seien 1,2 Prozentpunkte über dem Wert von 2017, dem Jahr der ersten Ozeankonferenz in New York, sagte Karoline Schacht von der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland der Deutschen Presse-Agentur.
Fischerei-Expertin Schacht warnt: „Ohne Richtungswechsel steuern wir weiter auf eine ökologische Katastrophe zu.“ In einer WWF-Mitteilung erklärte sie, die Entwicklung sei „fatal für die Ernährungssicherheit von mehreren Milliarden Menschen“ und müsse als „schrilles Warnsignal verstanden werden“.
Die steigende Nachfrage einer wachsenden Weltbevölkerung treffe auf überfischte und schrumpfende Fischbestände. Der WWF fordert daher wirksame Fischerei-Kontrollen, nachhaltige Fangmengen, ein Verbot zerstörerischer Fangpraktiken und ein ökosystembasiertes Fischereimanagement, um Überfischung und Artensterben zu stoppen.
Nicht nur Umweltschützer sind empört und entgeistert. Kleinfischer Oscar aus Costa Rica, der in Lissabon auf die Probleme seiner Zunft aufgrund der Überfischung weiter Küstengewässer durch ausländische Riesenfangflotten aufmerksam machen will, zeigte sich „traurig“. „Das ist, als würde man in der Wüste rufen“, sagte der „Sohn, Enkel und Urenkel von Kleinfischern“ der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse jedes Jahr immer weiter rausfahren, um Fische zu finden.
Laut FAO kletterte die gesamte Nutzung von Wassertieren und Algen nach den jüngsten vorliegenden Zahlen von 2020 auf den Rekordwert von 214 Millionen Tonnen, davon sind 178 Millionen Tonnen Tiere. Das seien bei letzteren im Schnitt 30 Prozent mehr als in den 2000er Jahren sowie 60 Prozent mehr als in den 1990er Jahren. In den Zahlen sind Fänge und Aquakultur aus Meer- und Süßwasser zusammengefasst. Gefangen wurden demnach 90 Millionen Tonnen Wassertiere, aus Aquakultur kamen 88 Millionen Tonnen.
FAO-Generalsekretär Qu Dongyu erklärte, das Wachstum der Fischerei und der Aquakultur seien zwar für die Beendigung von Hunger und Unterernährung auf der Welt von entscheidender Bedeutung. Aber eine Umgestaltung des Sektors sei nötig. Man müsse sicherstellen, dass Lebensmittel aus dem Wasser nachhaltig gefischt würden, der Lebensunterhalt der Fischer gesichert werde und die aquatischen Lebensräume und die biologische Vielfalt geschützt würden, betonte er.
Dass die Warnungen und Forderungen irgendwann wirklich erhört werden, hoffen die Hunderten von Kleinfischern aus mehr als 30 Ländern Lateinamerikas, Afrikas, Asiens und Europas, die nach eigenen Angaben insgesamt 500 Millionen Menschen weltweit mit „gesundem Fisch“ ernähren - wie Fischer Oscar hervorhebt - und die den teils langen und beschwerlichen Weg nach Lissabon auf sich genommen haben, um Alarm zu schlagen und Mitspracherecht zu fordern. Wie Martilene Rodrigues aus dem brasilianischen Bundesstaat Ceará im entlegenen Nordosten des Landes, die kein Hehl aus ihrer Wut macht.
„Wir verlieren unsere Mangrovenwälder, unsere Strände, unsere Flüsse verlanden, unser Fischereigebiet wird völlig zerstört. Wir kämpfen dafür, dass wir nicht verlieren, was wir noch haben, und dass wir das zurückgewinnen, was wir verloren haben“, erzählt die kämpferische Frau, die jeden Tag mit ihrem kleinen Segelboot aufs Meer fährt, um Meeresfrüchte und Fische zu fangen. Es gehe nicht „nur“ um Lebensunterhalt, Umwelt und Ernährung, sagt sie, „sondern auch um den Erhalt von Kultur und Tradition“.
Die Weltmeere werden derweil nicht nur von Überfischung bedroht. Sie werden auch zunehmend von Vermüllung vor allem mit Plastik, von dem von Menschen verursachten Klimawandel und von Versauerung in Mitleidenschaft gezogen. Knapp 30 Staats- und Regierungschefs, weitere Politiker sowie Wissenschaftler, Aktivisten und Vertreter von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen diskutieren deshalb in Portugals Hauptstadt bis Freitag darüber, wie die Ressourcen des überlebenswichtigen Ökosystems besser geschützt und möglichst nachhaltig genutzt werden können. Bundesumweltministerin Steffi Lemke wollte am Mittwochabend nach Lissabon fliegen. Auch sie forderte, man müsse endlich „vom Reden ins Handeln kommen“.
Kommentar
Allgemeine Zeitung
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