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Lebensgeheimnis – 70 Jahre Entdeckung DNA-Struktur

Im Jahr 1953 entdecken die Forscher James Watson und Fancis Crick die Doppelhelix-Struktur des Erbgutmoleküls DNA. Mit einem Schlag wird klar, wie genetische Informationen gespeichert und weitergegeben werden. Die Erkenntnisse helfen unter anderem im Kampf gegen Krebs.
Den Durchbruch brachten aus Pappe ausgeschnittene Modelle: Die Entdeckung der Doppelhelix-Struktur des Erbgutmoleküls DNA und der damit verbundenen Speicherung genetischer Informationen gehört zu den wichtigsten wissenschaftlichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Vor 70 Jahren, am 25. April 1953, veröffentlichten der US-Amerikaner James Watson und der Brite Francis Crick eine nur einseitige Beschreibung in der Fachzeitschrift „Nature“, die die Molekularbiologie und die Welt für immer verändern sollte.

Inzwischen hilft die DNA-Analyse nicht nur mittels genetischem Fingerabdruck bei der Aufklärung selbst jahrzehntealter Verbrechen, sondern revolutioniert auch Bereiche wie Landwirtschaft und Medizin. Sogar als Speichermedium im IT-Bereich könnte das Molekül eines Tages eine Rolle spielen.

Im Kampf gegen Krebs werden inzwischen große Hoffnungen auf Ansätze gesetzt, die ohne die Entdeckung von damals undenkbar wären. Auch die Entwicklung des auf dem verwandten Molekül RNA basierenden Corona-Impfstoffs des Mainzer Unternehmens Biontech wäre ohne die grundlegenden Erkenntnisse von 1953 unmöglich gewesen. Bei der RNA handelt es sich um ein der DNA ähnliches, aber einsträngiges Molekül, das bei der Übersetzung genetischer Information in Proteine eine wesentliche Rolle spielt. Inzwischen arbeitet Biontech an Impfstoffen gegen Krebs.

Schablonen aus Pappe

Watson hatte an einem Samstagnachmittag aus Pappe ausgeschnittene Schablonen in Form der Nukleinbasen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, Bestandteilen der DNA (Abkürzung für englisch deoxyribonucleic acid, zu deutsch Desoxyribonukleinsäure) nebeneinander gelegt, wie er später erzählte. Er wollte herausfinden, wie sie sich miteinander verbinden. Plötzlich erkannte er demnach: Adenin und Thymin sowie Guanin und Cytosin fügen sich jeweils zu Basenpaaren zusammen, die sich wiederum zu einer wendeltreppenartigen Struktur anordnen – hervorragend für die Speicherung einer riesigen Menge von Informationen geeignet. In einem Pub in Cambridge verkündeten die Forscher kurz darauf, sie hätten das „Geheimnis des Lebens“ entdeckt, erinnerte sich Watson.

Die Entdeckung brachte die Erkenntnis, dass die DNA die Trägerin der Erbinformationen ist. Bei der Entdeckung der Doppelhelix-Struktur erkannten Watson und Crick auch bereits die Grundzüge des Prozesses, durch den sich die DNA reproduziert – wie ein Reißverschluss lassen sich die beiden Stränge trennen und so, jeweils mit passenden Bausteinen komplettiert, verdoppeln. „Das ist eine einfachere und schönere Antwort als wir je zu hoffen gewagt haben“, sagte Watson später. Die beiden damals an der Universität Cambridge beschäftigen Forscher erhielten gemeinsam mit dem am King's College in London arbeitenden Maurice Wilkins 1962 den Nobelpreis für Medizin.

Nicht für ihren Beitrag geehrt wurden die 1958 gestorbene Biochemikerin Rosalind Franklin und ihr Mitarbeiter Raymond Gosling, obwohl die beiden in der gleichen Ausgabe von „Nature“ ein Papier veröffentlicht hatten, das die Erkenntnisse Watsons und Cricks stützte. Mit ihren Röntgenabbildungen hatten sie zudem einen entscheidenden Beitrag zu der Entdeckung geliefert. Kritisch wird inzwischen vor allem gesehen, dass die drei Nobelpreisträger die Bedeutung von Franklins Forschung, von der sie teils ohne deren Wissen profitiert hatten, nicht entsprechend würdigten.

Die DNA-Forschung hat in den vergangenen 70 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Doch obwohl das menschliche Genom inzwischen als so gut wie vollständig entschlüsselt gilt, stehen die Wissenschaftler noch immer am Anfang, wie John Diffley vom Francis-Crick-Institut in London sagt. „Wir haben immer noch eine riesige Menge Arbeit vor uns, um zu verstehen, wie DNA-Sequenzen und Unterschiede in DNA-Sequenzen sich auswirken und sich am Ende in verschiedenen Ausprägungen in Organismen und Menschen darstellen“, erklärt der Leiter einer Gruppe am Francis-Crick-Institut in London, die sich mit der Reproduktion von DNA beschäftigt.

Gebraucht wird dieses Wissen unter anderem, um Methoden wie die sogenannte Genschere Crispr/Cas sinnvoll einzusetzen. Mit ihr können etwa einzelne Gene ausgeschaltet werden, beispielsweise um gegen bestimmte Krankheiten resistente Pflanzensorten oder Tierarten zu züchten. Und auch für Menschen verspricht die Methode Hoffnung im Kampf gegen Krankheiten. Beispielsweise wird an Gentherapien für Menschen mit HIV oder bestimmten Krebsformen gearbeitet.



Hoffen auf neue Erkenntnisse

Hoffnung auf zusätzliche Methoden bei der Krebstherapie machen auch andere Ergebnisse aus der DNA-Forschung, wie Sam Godfrey von der Organisation Cancer Research UK im dpa-Gespräch erläutert. So sollen Tumore künftig noch häufiger genetisch analysiert werden, um eine individuelle Therapie zu ermöglichen. Zu den grundlegenden zu verstehenden Dinge zähle, „dass Krebs nicht nur eine einzige Krankheit ist. Es ist eine unglaubliche Vielzahl genetischer Fehler und anderer Dinge, die dazu führen, dass Zellen am Ende die Fähigkeit verlieren, Anweisungen zu befolgen“.

Von großer Bedeutung sei auch zunehmend die Diagnostik von Krebserkrankungen über Blutanalysen, mit denen sich genetische Merkmale von Krebszellen viel früher nachweisen ließen als bisher. „Wenn es dabei hilft, Patienten früher zu diagnostizieren, haben sie eine viel größere Überlebenschance“, sagt Godfrey.

Er verweist zudem auf kürzlich veröffentlichte Forschungsergebnisse des Francis-Crick-Instituts, wonach im menschlichen Erbgut die Überreste uralter Viren nachgewiesen wurden, die bei manchen Menschen mit Krebserkrankungen eine Immunreaktion hervorrufen. Das mache Hoffnung auf einen weiteren Therapieansatz, wenn diese Selbstheilungskräfte des Körpers gezielt aktiviert werden könnten.

Auch die Krebsforschung von Biontech setzt auf Immuntherapie. Dafür will das Mainzer Unternehmen in Großbritannien ein Forschungs- und Entwicklungszentrum aufbauen, in dem bis 2030 bis zu 10 000 Patientinnen und Patienten mit personalisierten mRNA-Krebsimmuntherapien behandelt werden sollen.

Von Christoph Meyer, dpa

Kommentar

Allgemeine Zeitung 2024-11-23

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